Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
uns herum unaufhörlich aufflackert.
»Was für authentische Emotionen«, höre ich Moritz leise vor sich hin sagen, während mir selbst vor Schweinwerferlicht und Wut und Christina immer heißer wird.
»Ja. Loyalität ist eine schöne Sache«, fängt Christina sich, »aber es gibt auch Dinge, die sich scheinbar über Loyalität hinwegsetzen.«
»Scheinbar? Mein Gott, Christina, du hast mit meinem Freund geschlafen und ihn anschließend vor den Traualtar gezerrt!«
Nun verliere ich komplett die Beherrschung, wo dieses Interview ohnehin in eine Richtung gelaufen ist, die ich nicht beabsichtigt habe. Wie kann Christina nur vor mir sitzen, nach all dem, was zwischen uns passiert war, und auch noch versuchen mit mir, darüber zu diskutieren!
Das Blitzlicht erlischt. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie Moritz langsam von der Dunkelheit im hinteren Teil des Studios geschluckt wird. Selbst ihm wird die Sache wohl zu bunt. Die Tatsache, dass er mich jetzt wahrscheinlich für eine absolut unprofessionelle Furie hält, lässt meine Wangen glühen. Aber Christina ist nicht mehr zu stoppen.
»Ich habe mich in Frederik verliebt, mein Gott. Und gegen die Liebe kommt keiner an.«
»Ach, Liebe, jetzt komm mir doch nicht mit Liebe.«
Theatralisch kullere ich mit den Augen hin und her.
»Hast du Frederik denn nicht geliebt, und hättest du nicht auch alles für ihn getan?«
»NEIN!«, antworte ich.
Mir wird schwindelig von dem ganzen Liebesgerede.
»Ist das die Antwort auf die erste oder auf die zweite Frage?«
Die Hitze schießt durch meinen Körper. Ich schwitze, bekomme Kopfschmerzen, das Herz pocht, dass ich es hören kann.
»Meine Güte, Anna, ihr habt zuletzt über den Anstrich einer neuen Deckenfarbe nachgedacht, während ihr miteinander geschlafen habt!«
Mein Blick wandert verstohlen von meiner neuen Feindin zum hinteren Teil des Studios, in der Hoffnung, dass Moritz das nicht gehört hat. Vielen Dank, Frau Wer-Liebe-lebt!, dass sie mich nun auch noch vor meinem Kollegen einer erotischen Kompromittierung unterziehen. Aus dem Augenwinkel erkenne ich Moritz, der einerseits den Anstand besitzt, für einen Moment das Studio zu verlassen, andererseits leider wohl nicht schnell genug für Christinas Gift speiende Zunge war! Als die Studiotür hinter ihm zufällt, wende ich mich wieder dem blonden Drachen auf dem Sofa zu.
»Das nennt man Alltag, Christina. Kommt irgendwo zwischen knallenger Jeans beim ersten und Schlabberhose nach dem dreihundertsten Date.«
»Ich kann doch nichts dafür, dass du eine zynische alte Kuh bist!«
Mir fehlen die Worte. Hatte Christina das gerade gesagt? Zu mir? Machte es Sinn, sich auf dem Sofa hinter mir nach einer zynischen alten Kuh umzusehen? Wahrscheinlich nicht. Ich versuche, Christina zu stoppen, ihr den Mund zu verbieten, oder sie ebenso zu verletzen, wie sie es getan hat, sie holt jedoch immer weiter aus und redet auf mich ein, sodass ich mich an die Lehne des Sofas drücke.
»Du wolltest Frederik doch niemals heiraten. Du hast dich gelangweilt in dieser Beziehung, hast von der großen Freiheit geträumt und den vielen Dingen, bei denen dir ein Mann nur im Weg steht. Und darum verstehe ich auch nicht, warum du so unglaublich dickköpfig bist.«
Ich unterbreche Christina, indem ich vom Sofa hochfahre. Die Kissen und meine Notizen fallen hinter mir auf den Studioboden.
»Es geht doch hier gar nicht um Frederik! Verstehst du das nicht?« In diesem Moment begreife ich selbst erst, was mich seit Monaten an der Tatsache so ärgert, dass mein Exfreund geheiratet hatte.
»Es geht um dich und mich, Christina! Verdammt, es geht um uns.«
Ich sinke auf die Couch zurück.
»Wir waren die besten Freundinnen. Du warst dabei, als meine Mutter uns verlassen hat! Du warst dabei, als mein Vater gestorben ist. Du warst dabei, als ich meinen ersten Job und meinen letzten Sommer als Jungfrau gefeiert habe. Und ich glaube, dass man niemals seiner besten Freundin den Mann ausspannen sollte, ganz egal, ob die beiden gerade im siebten Himmel schweben oder sich gegenseitig die blinkenden Messerklingen an die Gurgeln setzen.«
Christina verstummt. Sie sieht mich entgeistert an. Das Blau ihrer Augen funkelt, bis ihr Blick ziellos von rechts nach links durch das Studio streift, um schließlich auf ihren Fingern zu ruhen, die nervös aneinander herumspielen. Tränen füllen ihre Augen.
Oh nein.
Nicht auch noch Tränen.
Was soll das denn jetzt?!
Ich habe Christina noch nie weinen sehen. Selbst
Weitere Kostenlose Bücher