Eis und Wasser, Wasser und Eis
verlor. Sie lächelte nur, während sie dasaß, lächelte und schaute jeden Einzelnen freundlich an.
Aber jetzt saß sie mit geschlossenen Augen vor Susanne und wippte leicht im Takt mit dem Rütteln des Zuges auf den Gleisen. Schlief wahrscheinlich. Vielleicht träumte sie auch, denn sie murmelte plötzlich etwas, aber mit so leiser Stimme, dass nicht zu verstehen war, was sie sagte. Susanne reckte sich, lehnte dann die Stirn gegen das Fenster und versuchte hinauszuschauen. Es war sehr dunkel; das Einzige, was sie sehen konnte, waren die Lichter ihres eigenen Waggons. Blassgelbe Vierecke huschten über den Schnee draußen. In einem von ihnen sah sie ihren eigenen Schatten. Sie hob die Hand und winkte.
»Was machst du?«
Elsie war aufgewacht und hatte ein Lächeln in der Stimme. Susanne erwiderte das Lächeln.
»Ich winke meinem Schatten.«
Elsies Lächeln wurde breiter.
»Schön«, sagte sie. »Sehr schön.«
Eine Weile blieben sie schweigend sitzen, dann schaute Elsie auf ihre Uhr.
»Wir sind in zwanzig Minuten da.«
Susanne nickte.
»Wie viel Zeit haben wir?«
»Zweieinhalb Stunden«, sagte Elsie. »Das heißt, wenn wir nicht dort übernachten wollen.«
»Nein«, sagte Susanne. »Ich will nicht dort übernachten.«
»Schön«, sagte Elsie wieder. »Dann fahren wir mit dem nächsten Zug zurück.«
Nichts war noch so wie damals. Bis auf das hohe Hotel, das wie ein Ausrufungszeichen neben dem Bahnhof stand. Die Stadt war weiß. Sie glänzte und glitzerte vor Schnee. Gewaltige Schneemengen. Die Straßen lagen weiß und glatt da, fast alle Bürgersteige waren von hohen Schneewällen bedeckt, und Eiszapfen hingen wie lange Speere von den Balkonen und Dächern.
Susanne und Elsie blieben vor dem Bahnhof stehen und schauten sich um, versuchten alles in sich aufzunehmen, was so anders war als der neblige Regenwinter, aus dem sie kamen.
»Wie still es ist«, sagte Elsie.
Susanne nickte. Ja, es war still. Es war ebenso still, wie es an dem Frühjahrstag gewesen war, an dem sie das letzte Mal hier gestanden hatte. Doch nein, nicht vollkommen still. Irgendwo in weiter Ferne war ein Auto zu hören, jemand fuhr durch diese verschneiten Straßen auf dem Weg zu einem Fest irgendwo. Ein bisschen Sehnsucht regte sich in ihr, aber nur ganz kurz, nur eine oder höchstens zwei Sekunden lang.
»Ist es das Hotel, in dem ihr gewohnt habt?«
Elsie klang sachlich. Susanne nickte wieder.
»Also von dort wollte diese Eva dich rausschmeißen?«
Susanne nickte zum dritten Mal.
»Merkwürdige Person«, sagte Elsie trocken.
Susanne lachte, fand plötzlich ihre Stimme wieder.
»Komm«, sagte sie. »Wir gehen zum Marktplatz.«
Der Stora torget lag leer und verlassen da, bis auf einen geparkten Bus und eine Würstchenbude. In ihr saß ein dick eingemummter Mann, der eine blaue Mütze tief in die Stirn gezogen hatte und seine Schürze über einer grauen Daunenjacke trug. Als sie über die Straße gingen, öffnete er die kleine Glasluke, stand dann erwartungsvoll da, die Hände unter der Schürze, während sie sich näherten.
»Ein Würstchen?«, fragte Susanne.
Elsie zögerte.
»Wollen wir nicht lieber versuchen, ein Restaurant zu finden?«
Der Mann in der Würstchenbude lachte auf und beugte sich weiter vor, sprach mit lauter Stimme und singendem småländischem Dialekt.
»Ho ho! Es ist doch überall geschlossen, bis auf das Hotel und Folkets hus. Und dort hättet ihr schon vor Monaten einen Tisch bestellen müssen. Habt ihr das? Habt ihr einen Tisch bestellt?«
Elsie sah etwas verwirrt aus.
»Nein, natürlich nicht, aber …«
Der Mann richtete sich auf.
»Dann also Würstchen. Ihr habt gar keine andere Wahl. In ganz Nässjö ist sonst nichts zu kriegen.«
So standen sie also schließlich jede mit ihrem Würstchen mit Soße vor seiner Bude und schauten sich um, aßen stumm und ohne einander anzusehen. Die Kälte zwickte in Susannes Ohren, und ihre Zehen wurden taub, trotzdem wurde sie mit einem Mal vollkommen ruhig.
»Willst du zum Folkets Park fahren?«, fragte sie. »Ein Taxi nehmen?«
Elsie stand einen Augenblick lang schweigend da.
»Nein«, sagte sie dann. »Ich glaube nicht. Du?«
»Nein. Das hier genügt mir. Und außerdem ist es da sicher auch geschlossen.«
»Ja.«
Wieder schwiegen sie. Ein kleiner Klecks Senf fiel von Elsies Wurst auf die Straße, und sie trat schnell einen Schritt zurück. Gleichzeitig fing Susanne an, mit den Füßen zu trampeln.
»Es ist kalt«, sagte sie.
»Ja«, stimmte Elsie
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