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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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Schweden.«
    »Oh, dear«, sagte die Telefonistin. »Ich fürchte, ich habe den Namen der Stadt nicht richtig verstanden. Könnten Sie ihn buchstabieren?«
    »Nicht nötig«, sagte Elsie. »Ich habe die Vorwahl …«
    Sobald sie den Hörer aufgelegt hatte, bereute sie ihre Tat, aber da war es zu spät. Eine Reihe von Telefonistinnen hatte bereits ihre Arbeit begonnen, von der Zentrale im Stork Hotel in Liverpool nach London, von London nach Stockholm, von Stockholm nach Landskrona. Sie konnte sie vor sich sehen, wie sie mit ihren Kopfhörern und Telefonstöpseln dasaßen, eine lange Reihe heftig dauergewellter Damen und Mädchen mit schwarzen Lidstrichen, die ihre Wirklichkeit in nicht einmal zehn Minuten mit der Björns verbinden sollten.
    »Er gehört mir«, sagte sie halblaut vor sich hin. »Er gehört wirklich mir.«

Inez nahm den Hörer ab.
    Sie war gerade mit den Armen voller Wäsche aus dem Keller gekommen, als das Klingeln sie aufhielt. Sie schnaubte. Sicher war das so ein Mädchen, oder – noch schlimmer – mehrere Mädchen, die atemlos und kichernd darum bitten würden, mit Björn sprechen zu dürfen. Das Gerücht, dass er für ein paar Tage daheim war, hatte sich schnell verbreitet. Als sie von der Schule nach Hause gekommen war, klingelte es die ganze Zeit, und jedes Mal war es ein anderes Mädchen, das mit Björn reden wollte. Die vier ersten Male kam er ans Telefon, hörte geduldig dem Kichern und Stammeln der Mädchen zu und antwortete mit irgendwelchen freundlichen Phrasen, aber als es das fünfte Mal klingelte, seufzte er und bat Inez, nicht ranzugehen. Sie saßen sich eine Weile schweigend am Küchentisch gegenüber und hörten, wie das Telefon immer und immer wieder klingelte. Als es endlich verstummte, stand Inez auf, ging auf den Flur und nahm den Hörer ab. Sie legte ihn erst wieder auf, als die Standuhr im Wohnzimmer achtmal schlug. Alle wussten ja, dass man nach acht Uhr abends nicht mehr anrufen durfte, das sollten zumindest alle wissen. Obwohl, diese Mädchen …
    Trotzdem konnte sie dem Impuls zu antworten nicht widerstehen, wenn auch in sehr verhaltenem Ton. Die Telefonistin war genauso förmlich:
    »Ein Gespräch aus Liverpool. Einen Augenblick.«
    Liverpool? Inez ließ sich langsam auf den Stuhl neben dem Telefontischchen sinken. In einer vorsichtige Bewegung, weil sie die Wäsche nicht zerknittern wollte.
    Das meiste war zwar Trikotstoff, und der knittert nicht, aber es waren Björns Sachen, und sie wollte all die sorgfältig gebügelten Unterhosen und Unterhemden in einem ordentlichen Stapel auf sein Bett legen. Das war eine Botschaft. Sie wollte, dass ihm klar war, wie sehr sie sich darüber freute, dass er endlich wieder daheim war, dass er ihr verzieh, dass er ihr so viel bedeutete, dass er ihr …
    »Inez?«
    Die vertraute Stimme ließ es in ihrem Magen grummeln, aber sie sammelte sich schnell und antwortete im gleichen Ton:
    »Elsie?«
    »Ja. Wie geht es euch?«
    Ein Hauch von Triumph durchfuhr ihren Körper. Sie wusste es nicht! Elsie hatte keine Ahnung, was mit ihrem eigenen Sohn passiert war.
    »Danke, gut. Gewissen Teilen der Familie geht es sogar besser als je zuvor.«
    Einen Moment lang blieb es still.
    »Was meinst du damit?«
    »Björn hat seinen Durchbruch geschafft.«
    Elsie verstand immer noch nicht:
    »Seinen Durchbruch? Worin hat er seinen Durchbruch geschafft?«
    »Mit seinem Orchester. Seinem Poporchester. Sie stehen jetzt seit vier Wochen auf Platz eins von … wie heißt das noch, von dieser Hitparade. Und nach England soll er auch. Bist du nicht gerade in England?«
    »Ja, schon …«
    »Er soll dahin kommen. Sie werden schon am Samstag nach London fliegen. Und im Fernsehen auftreten.«
    »Aber …«
    Elsie verstummte, offensichtlich sprachlos. Inez lächelte das schwarze Bakelit des Hörers an.
    »In allen Zeitungen schreiben sie über ihn.«
    Keine Antwort. Inez beugte sich über den Hörer, hielt ihn sich dicht an den Mund:
    »Hallo! Bist du noch da?«
    Es knisterte ein wenig in der Leitung, vielleicht hörte die Telefonistin mit, vielleicht hatte sie die ganze Zeit mitgehört. Die Leute waren so neugierig, ihre Neugier kannte keine Grenzen! Inez’ Stimme wurde schärfer:
    »Elsie! Hörst du mich?«
    Ein leises Räuspern.
    »Ich bin noch dran. Ich war nur so überrascht. Ist er da? Kann ich mit ihm sprechen?«
    »Natürlich.«
    Inez legte die Hand auf den Hörer und rief nach oben.
    »Björn! Telefon für dich. Es ist Elsie.«
    Elsie, wohlgemerkt. Nicht

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