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Eisblume

Eisblume

Titel: Eisblume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Baecker
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nicht vor, in nächster Zeit zu verreisen?«
    »Ich? Nein, ich muss mich um mein Studium kümmern. Bin sowieso im Rückstand. Das letzte Jahr ist nicht gut gelaufen. War alles …« Er ließ den Satz unvollendet in der Luft hängen.
    »War alles ein bisschen viel«, ergänzte Brander. Er musterte den jungen Mann einen Augenblick nachdenklich. »Wie lange waren Sie eigentlich zusammen, Sie und Frau Risch?«
    »Fast vier Jahre. Wir haben zusammengelebt, seit sie vor drei Jahren nach Tübingen kam.«
    »Vier Jahre, das streift man nicht einfach so ab«, zeigte Brander Verständnis. Er bemerkte eine leichte Unruhe bei Lüdke.
    »Ich … ähm … brauchen Sie noch was von mir? Ich bin nämlich zum Training verabredet.«
    »Nein, im Moment nicht. Danke.«
    Lüdke nickte ihm zu und wandte sich ab, um zu seinem Auto zu gehen.
    »Herr Lüdke«, rief Brander noch einmal hinter dem Studenten her, »falls doch noch mal eine Frage auftaucht. Wo kann ich Sie da am besten erreichen?«
    Lüdke drehte sich um und griff in seine Jackentasche. Er holte eine Brieftasche heraus und entnahm ihr eine Visitenkarte. »Da steht meine Handynummer drauf. Sie können mich Tag und Nacht anrufen. Wenn irgendwas mit Jasmin ist … Ich bin jederzeit für sie da.«
    Ein Student mit Visitenkarte. Das gehörte wohl heute zur Standardausstattung der jungen Akademiker. Brander warf einen Blick auf die Karte. Es war noch seine alte Adresse in der Gösstraße angegeben, die Festnetznummer war durchgestrichen und handschriftlich korrigiert.
    »Entweder äußerst kooperativ oder verdammt schlechtes Gewissen«, mutmaßte Peppi, nachdem Lüdke mit seinem Wagen davongefahren war.
    »Wir werden es herausfinden.« Brander schritt zu dem Mehrfamilienhaus und drückte auf Jasmin Rischs Klingel.
    In der Tat war die Studentin gerade dabei, ihre Taschen zu packen. Allerdings sah es weniger nach einem Besuch bei den Eltern aus, als nach einem Auszug. Brander sah sich überrascht in der Wohnung um. Die Regale waren leer geräumt, Kartons stapelten sich an den Seiten.
    »Ich halte es nicht aus«, erklärte Jasmin Risch. »Ich kann hier nicht länger wohnen … ich war hier so glücklich. Wir waren so glücklich.«
    »Haben Sie denn so schnell schon eine andere Wohnung gefunden?«, wunderte sich Brander.
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht wieder zurückkommen. Ich kann nicht in der Stadt leben, in der meine große Liebe umgebracht wurde. Ich muss weg hier. So schnell wie möglich. Ich … ich kann nicht …« Sie begann stumm zu weinen.
    Ihre Mutter nahm sie tröstend in die Arme. »Was können wir noch für Sie tun?«, wandte sie sich an die beiden Kommissare.
    »Wir haben leider noch ein paar Fragen an Ihre Tochter«, erklärte Brander. »Und wir brauchen die Kontaktdaten, wo wir sie erreichen können.«
    Frau Risch nickte. Sie schickte ihre Tochter ins Bad, um sich das Gesicht zu waschen, befreite zwei Stühle von halb vollen Kartons und bot den Kommissaren Platz an.
    »Jasmin wird erst einmal wieder bei uns wohnen. Sie muss zur Ruhe kommen und das alles erst einmal verarbeiten. Dann werden wir weitersehen. Vielleicht kann sie ihr Studium in Leipzig fortführen. Ich weiß nicht genau, ob es die gleichen Studiengänge bei uns gibt. Wir müssen auch mit der Universität sprechen, welche Scheine ihr anerkannt werden. Aber das hat Zeit. Es ist schrecklich, was passiert ist.«
    Sie seufzte und sah auf die gestapelten Kisten. »Wir haben Nael leider nie persönlich kennengelernt. Aber so, wie Jasmin immer von ihm erzählt hat, muss er ein ganz wunderbarer Mensch gewesen sein. Ein bisschen poetisch und verträumt.«
    »Im Sommer war ich seine Sonnenblume und im Winter seine Eisblume.«
    Brander drehte sich zur Tür, sah die junge Frau an den Türrahmen gelehnt stehen.
    »Ich habe ein altes Auto, und jetzt im Winter haben sich oft Eisblumen an den Scheiben gebildet. Er fand es so schön. Ich sitze in einer Wiese voller Eisblumen, hat er gesagt, und neben mir ist die schönste Blume von allen.« Sie lächelte traurig.
    »Frau Risch, ich weiß, es ist nicht leicht für Sie, aber könnten wir mit Ihnen noch einmal über Herrn Vockerodt und über Dienstagabend sprechen?«, begann Brander behutsam.
    Sie biss die Zähne aufeinander, nickte stumm und setzte sich neben ihre Mutter auf das Sofa.
    »Sie sagten, Herr Vockerodt sei oft nachts spazieren gegangen. Ging er dabei immer dieselben Wege?«
    »Ich glaube nicht. Ich kann es natürlich nicht mit Bestimmtheit sagen, er

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