Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
verstehen? Handwerker! Oder die ganz großen und prominenten Leute eben. Einer hatte ein Antiquariat in Leipzig. Gewaltiger Laden, meinte der Bruno.«
Und zur Leipziger Messe kam die entsprechend zahlende Kundschaft, überlegte Judith. Die Kollegen von der Abteilung für Wirtschaftskriminalität und Devisenvergehen bei der dortigen Bezirksbehörde würden einige Arbeit bekommen.
»Das Geschäft lief gut, warum sollte ich Bruno umbringen?« Jetzt litt Dampmann wieder.
»Erzählen Sie uns bitte etwas über den Verlauf Ihres letzten Mittwochs«, forderte Judith ihn auf.
»Mittwoch? Was ist Mittwoch passiert?«
Er bekam keine Antwort.
»Deswegen also«, überlegte er leise.
»Was, Herr Dampmann?«
»Na, der Bruno.«
»Geht das auch genauer?«
»Als ich ihm am Donnerstag die Post bringe, sieht er sich meinen Wagen so gründlich an. Stellt sich vor das Auto und hockt sich dann hin. Fährt mit der Hand über die olle Stoßstange. Und als ich ihn frage, was los ist, beichtet er mir von einem Unfall. Er hätte in ›Feine Sache‹ jemanden angestupst.«
»Angestupst? Das hat er gesagt?« Judith fand das eigenartig. Sollte Bruno Michaelis etwa Robert Wolff angefahren und umgebracht haben? Das musste Dampmann näher erklären: »Mit Ihrem Postauto? Der Bruno Michaelis? Wie passt das zusammen?«
Dampmann wollte erneut herumdrucksen, überlegte es sich aber nach einem deutlichen Blick der Hauptkommissarin anders. »Der Bruno hatte doch kein eigenes Auto. Und ich auch nicht. Also haben wir für unsere Kundentermine mit den Büchern das Postauto genutzt. Wir haben das immer mit meinem Tourenplan abgestimmt und einen entsprechenden Treffpunkt rausgesucht. Meistens hat das gut gepasst. Bruno hat sich immer mittwochs in ›Feine Sache‹ mit den Kunden getroffen. Er fuhr von Breitenfeld los und setzte mich zu Hause ab. Später brachte er das Auto wieder vorbei.«
»Und letzten Mittwoch?«
»Genau so. Nur dass er viel später kam und ich dann erst Donnerstag früh mit dem Wagen nach Gardelegen bin. Hat mich aber keiner vom Fuhrhof verpfiffen.«
»Was hat Ihr Halbbruder Ihnen noch von dem Unfall erzählt?«
»Er war wohl kribbelig geworden und verstimmt, weil ein wichtiger Kundentermin nicht wie geplant geklappt hatte. Bruno hat ewig gewartet und dann wurde es schon dunkel. Es ging diesmal wohl um viel Geld und der Käufer war nicht gekommen. Bruno hat mir erzählt, dass ihm beim Einsteigen ins Auto zu allem Ärger auch noch ein paar wirklich wertvolle Bücher aus dem Arm gerutscht sind. Er sammelte sie fluchend wieder auf, und als er gerade losfahren wollte, sah er noch eines am matschigen Boden liegen, das unter das nächste Auto gerutscht war. Irgendwie fuhr er dann in der Aufregung vorwärts statt rückwärts und erwischte jemanden mit der Stoßstange. Bruno hat den Mann in sein Auto geladen und ins Gardelegener Krankenhaus gebracht. Ende der Geschichte.«
Dampmann lehnte sich mit verschränkten Armen auf seinem Stuhl zurück und wollte nichts mehr sagen. Nach ein paar Augenblicken ergänzte er jedoch: »Ach, und die warme Jacke des Mannes hat Bruno extra noch aus dessen Auto geholt, damit er nicht friert. Der hatte einen riesigen Schlitten, erzählte Bruno.«
Dabei hat er dann wahrscheinlich den vermaledeiten Notizzettel von Dr. Meden verloren, vermutete Judith Brunner und sah kurz zu Dr. Grede.
Der schien das auch zu schlussfolgern, denn er sah ganz zufrieden drein.
Endlich hatten sie eine Vorstellung, wie Dr. Medens Notizen zur NS-Euthanasie in Robert Wolffs Volvo gelangt sein könnten: Michaelis muss der nervöse Mann am Nachbartisch in »Feine Sache« gewesen sein und hat bei der Rempelei mit Dr. Medens Tisch aus Versehen statt seiner Rechnung diesen Notizzettel an sich genommen, ein naheliegender Irrtum, da beides auf einem Kellnerblock geschrieben war. Michaelis hatte es eilig und war beladen: Wahrscheinlich steckte er den Zettel nicht richtig ein, sodass der hatte leicht rausfallen können, als Michaelis in Wolffs Auto nach dessen Jacke suchte.
Judith fragte nach: »Mehr hat Ihr Halbbruder Ihnen nicht erzählt?«
»Was noch? Am Auto war ja wirklich nichts zu sehen. Nur die üblichen Kratzer.«
»Herr Dampmann, wer könnte einen Grund haben, Bruno Michaelis umzubringen? Fällt Ihnen jemand ein? Vielleicht ein verärgerter Kunde?«
»Keine Ahnung. Wir haben immer ehrliche Geschäfte gemacht«, war Hartmut Dampmann überzeugt und sank dann in sich zusammen.
»Das bezweifle ich stark«, konnte Judith
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