Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
Grede. »Es war außerdem nicht richtig dunkel, denn der Himmel war sternenklar und es gab Reif. Der Täter musste eine ausreichend gute Sicht gehabt haben, als er den gefrorenen Leichnam mit der Mistkarre zum Teich brachte.«
»Es könnte ihn jemand gesehen haben«, vermutete Thomas Ritter.
»Wer ist denn um diese Zeit in Waldau unterwegs?« Dr. Grede dämpfte Ritters Optimismus, doch der machte weiter: »Vielleicht war’s so: Der Täter karrte die Leiche bis ans Ufer und ging dann auf den Teich, um ein Loch ins Eis zu schlagen. Das macht Lärm, vielleicht hat das jemand gehört.«
Nach einem zweifelnden Blick von Dr. Grede lenkte Ritter ein: »Er muss ja nicht gehackt haben, nur vorsichtig gehauen oder so. Dann zog er die Leiche zum Loch und ließ sie verschwinden.«
Judith Brunner überlegte weiter. »Es war eisig kalt und das Loch fror über Nacht, natürlich mit viel dünnerem Eis, wieder zu. Durch den dicken Reif konnte man die Stelle nicht mehr genau sehen. Und der kleine Junge hat nicht weiter darauf geachtet.«
»Oder er fand den dunklen Fleck gerade interessant«, warf Ritter ein.
»Wie dick war das Eis genau, habt ihr das?«, fragte Dr. Grede seinen Kollegen.
»Wir haben nur das dicke Randeis gemessen, die dünne Eisschicht über dem Loch war ja weg. Erst brach der Junge ein und dann folgte die Bergungsaktion. Da war nicht viel übrig zum Messen.«
Judith schlug vor: »Einigen wir uns als Arbeitshypothese auf den Freitagabend für die Beseitigung der Leiche?«
Als alle zugestimmt hatten, fuhr sie fort: »Was meinen Sie? Ist dieses Vorgehen nicht auch ein Indiz für die Ortskunde des Täters? Er wusste, dass der Teich in Waldau flach ist und eine Leiche im Frühjahr rasch auftauchen würde. Also hat er mit der Verstümmelung des Rumpfes vorgesorgt. Außerdem wusste er von den Mistkarren.«
»Noch ein Verbrecher in Waldau? Ich weiß nicht.« Skeptisch schüttelte Dr. Grede den Kopf.
»Oh nein, er muss nicht aus Waldau sein. Er muss den Ort nur gut kennen«, entgegnete Judith Brunner.
»Stimmt«, gab Dr. Grede zu, »wie geht’s denn nun heute weiter?«
»Wir könnten anfangen, Alibis für Freitagabend zu überprüfen.« Lisa Lenz hatte wie immer aufmerksam zugehört.
»Dazu brauchen wir so etwas wie einen Verdächtigen«, bemerkte Ritter.
Judith teilte seine Bedenken. »Ohne die Identität des Opfers zu kennen, ist das schwer. Einen Verdächtigen haben wir immerhin, diesen Postfahrer.«
»Warum der?«
»Er war, kurz bevor das mit den Kindern passiert ist, in der Nähe des Teiches. Dienstlich – es gab also einen plausiblen Grund. Er kennt das Dorf und kann sich unauffällig in der Gegend bewegen. Zudem hatte er sich weder für den Mord noch für das Kind interessiert, als wir ihn befragten. Das ist schon ungewöhnlich! Und: apropos Verdächtige. Erkundigen Sie sich bitte nach dem Ehemann von Elvira Bauer, Frau Lenz. Muss ein ziemlich übler Bursche sein. Er ist wohl irgendwo in Haft, zumindest hoffen wir das.«
Lisa Lenz nickte.
Dann überlegte Thomas Ritter laut: »Wenn die Schätzung der Todeszeit am Nachmittag richtig ist, war es kein Autounfall im Dunkeln, stimmt’s?«
Judith Brunner gab ihm recht. »Des Weiteren sollten wir daran denken, dass das Opfer mit seinen Beinbrüchen nahezu bewegungsunfähig war. Der Täter hat den Mann nicht sofort ermordet, sondern noch etwas gewartet. Nach seinem Tod hat er ihn dann irgendwo versteckt. Dabei ist unser Opfer zu Eis gefroren.«
»Das klingt nicht gut.« Dr. Grede sah besorgt aus.
Ritter nickte bedächtig und gab dann zu bedenken: »Und das Anfahren unseres Opfers am Nachmittag sollte niemand bemerkt haben?«
»Es könnte auf einer Nebenstraße, einem Feldweg oder im Wald passiert sein«, brachte Lisa Lenz vor.
»Es war auf jeden Fall noch hell genug, also wäre ein Augenzeuge schon denkbar. Möglicherweise sah es nach etwas ganz anderem aus. Wenn wir heute keine Zeugen finden, müssen wir in die Zeitung.« Selbst Ritter ließ jetzt seine innere Unruhe spüren.
Sein Chef bremste ihn etwas: »Abwarten Thomas, der Tag ist noch lang. Wir können heute noch viel erreichen. Vielleicht finden wir sein Auto. Wenn die deftige Mahlzeit unseres Opfers sein Mittagessen war, könnte er die altmärkische Hausmannskost hier in der Gegend gegessen haben. Fangen wir damit an: Wo hatte er gegessen? Ein paar Stunden danach war er bereits tot. Erst Tage später wird er in den Waldauer Teich geworfen.« Aus dieser Chronologie leitete Dr. Grede die
Weitere Kostenlose Bücher