Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
sahen Walter Dreyer aufmerksam an.
»Was euch gestern passiert ist, darf nicht noch einmal passieren. Versteht ihr?«
Irgendwie sahen sie nicht so aus.
»Die Polizei, also ich, muss herausfinden, wer Fritzi aus dem Wasser gezogen und ihn draußen ohne seine Anziehsachen hingelegt hat. Dort hätte er sehr krank werden können.«
»Oder tot«, präzisierte Dany. Ihre eigene Gefahr war ihr zum Glück nicht bewusst geworden.
»Leon hat ihn Gott sei Dank gefunden«, tröstete Elvira Bauer die Kinder, die gleich viel zuversichtlicher aussahen.
»Also, ihr habt ganz viel Zeit für eure Antworten. Überlegt genau. Als ihr mit dem Fahrrad durch das Dorf zum Teich gefahren seid, habt ihr da jemanden gesehen?«
Energisches Kopfschütteln beider Kinder schloss das aus.
»Und am Teich?«
Jetzt schüttelte nur Fritzi den Kopf.
»Fällt dir etwas ein?«
Dany sah vorsichtig ihre Mutter an, riss dann ihr Plüschtier an den langen Beinen festhaltend hoch, schmiss es sich über die Schulter und rief: »So hat er mit Fritzi gemacht, so hat er mit Fritzi gemacht!« Wieder und wieder demonstrierte das Mädchen heftig, was es beobachtet hatte.
»Dany«, ihre Mutter lief erschrocken zu ihr. »Das hast du gesehen?«
»Ja, der Mann hat Fritzi mit dem Kopf nach unten getragen!« Sie war empört.
Ihr Bruder versuchte, kopfüber dazusitzen und wäre fast vom Stuhl gefallen, hätte ihn Walter Dreyer nicht festgehalten.
»Kennst du den Mann?«, fragte er Dany weiter.
»Nein.«
»Weißt du noch, wie er aussah?«
»Schwarz.«
»Wieso schwarz?«
»Alles war schwarz. Hose, Jacke, Mütze.«
»Wo bist du gewesen, als du den Mann gesehen hast?«
»Versteckt, auf der Erde, in einer kleinen Kuhle.«
Das erklärte immerhin Danys Fundsituation. Vermutlich hatte sie Glück, dass der Täter sie gar nicht bemerkt hatte.
»Wie groß war er?«, half Elvira Bauer mit. »Wie ich? Oder wie Leon?«
Angestrengtes Nachdenken.
»Wie Herr Dreyer?«
»Größer.«
»Und wie alt? Wie ein Opa? Oder wie Leon?«
Dany schaute Walter Dreyer bestimmt an. »So.«
»Das hast du toll gemacht, und du auch, Fritzi. Danke. Euer Fahrrad brauchen die Polizisten noch. Ihr bekommt es aber zurück. Versprochen.«
Als er mit Elvira Bauer zur Tür ging, flüsterte er ihr zu: »Wir können nicht sicher sein, dass der Mann Ihre Tochter nicht bemerkt hat. Lassen Sie sie bitte nicht ohne Aufsicht nach draußen, ja? Auch den Kleinen nicht.« Ihm war klar, dass die drei keine andere Bleibe hatten. Und Leons zeitweilige Gesellschaft würde als Schutz nicht ausreichen. »Ich bestelle sofort noch einige Kollegen her, die Sie und die Kinder unauffällig bewachen. Es tut mir leid, aber wir müssen vorsichtig sein. Ich hoffe, Ihnen bald bessere Nachrichten bringen zu können.«
Walter Dreyer plante seinen Rückweg zum Büro so, dass er an den Wohnungen der beiden jungen Frauen, die er noch befragen wollte, vorbei führte. Sie arbeiteten als Verkäuferinnen in der Kreisstadt. Als Schulfreundinnen hatten sie gemeinsam gelernt und nun auch denselben Arbeitsweg.
Die erste, die er treffen wollte, Vera Wagner, war bereits verheiratet. Sie hatte mit ihrem Mann ein neues Haus auf dem Grundstück seiner Eltern gebaut. Zum Jahreswechsel waren sie in das noch unverputzte Haus gezogen. Walter Dreyer traf das junge Paar gerade an, als es einen Spaziergang mit dem Baby machen wollte.
Doch Vera Wagner hatte nichts Auffälliges bemerkt. Ihr Weg zur Bushaltestelle führte sie nicht am Teich vorbei und so konnte sie von den Aufregungen zunächst nichts mitbekommen.
»Ich hab nach Karoline geguckt, wo die wieder bleibt. Als ich dann den Auflauf bemerkte, ist Karoline endlich aufgetaucht und wir wollten rasch hin. In dem Moment kam aber schon unser Bus.«
Sie konnten ihre Neugier dann nur vom Busfenster aus befriedigen, als der am Teich vorbei fuhr.
»Stieg noch jemand ein?«
»Nee, nur wir zwei.«
»Und ausgestiegen ist auch niemand?«
»Nee. Der Bus war nicht voll. Nur drei, vier Leute außer uns.«
»Danke, das war’s schon. Ich geh gleich noch mal bei Frau Neubauer vorbei. Einen schönen Tag noch.«
»Ach, Karoline ist sicher nicht zu Hause, sie hatte vor, übers Wochenende zu verreisen. Wollte gestern gleich nach der Arbeit losfahren.«
~ 24 ~
Als Laura von der Verteilungsrunde zurückkam, machte sie sich erst einmal einen heißen Kaffee und setzte sich zu Wilhelmina auf den Küchensessel. Astrid war unterwegs wieder übel geworden. Zum Glück waren sie gerade
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