Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
Vielleicht irrst du dich?«
»Mach das, ruf sie an. Ich ziehe mich inzwischen um.«
Diesmal hatte er Glück und erreichte Judith in ihrem neuen Büro. Er kam gleich zur Sache: »Judith, ich muss mit Laura nach Gardelegen kommen! Sie glaubt, das Opfer zu kennen.«
»Laura kennt den Mann? Was hat sie nur immer mit unseren Morden zu schaffen?«
So hatte Walter das noch gar nicht gesehen. Letztes Jahr hatte Laura einen erstochenen Chauffeur gefunden und war selbst Opfer eines Mordanschlags geworden. Was sollte er sagen?
Judith erwartete jedoch gar keine Antwort. »Wieso glaubt sie das?«
»Ich erwähnte beim Mittagessen den Ledergürtel und die Schnalle. Ritter hatte mich in seinem Telefonat nochmals auf das seltene Stück und das teure Material aufmerksam gemacht.«
»Und?«
»Die Schnalle kannte sie, zumindest eine, die so aussieht, und einen Mann mit so einer Schnalle, auf den meine Beschreibung der Leiche passte, kannte sie auch, glaubt sie zumindest.«
»Ach herrje, ich hoffe es ist kein ... Freund?«
»Nein, das wohl eher nicht. Können wir das nicht vor Ort besprechen? Wir wären in einer halben Stunde bei Dr. Renz.«
»Das trifft sich gut, er ist heute den ganzen Tag im Krankenhaus. Ich warte dort auf euch.«
~ 25 ~
Während der Fahrt nach Gardelegen hatte Laura schweigend in die winterliche Landschaft geschaut. In Worte konnte sie ihre Verwirrung nicht fassen.
Dann hatte sie im Beisein von Judith Brunner, Walter Dreyer und dem Gerichtsmediziner den Toten erkannt. Laura fühlte sich miserabel.
Sie saßen alle vier im Büro von Dr. Renz, in dem genügend Platz für eine geschmackvolle Sitzgruppe war, von der aus man den übrigen Raum mit den zahlreich umherstehenden Präparaten nicht sehen musste. Er bot wunderbaren Kaffee an, hatte Kaffeesahne in einem Kännchen dazugestellt, ihnen Mineralwasser in geschliffene Gläser eingeschenkt und sogar noch eine Schachtel mit Schokoladentrüffeln gefunden, sodass es ihnen an leiblichen Genüssen nicht mangelte. Immerhin fühlten sich alle einigermaßen gestärkt für das unausweichliche Gespräch, das nun folgen würde.
»Haben Sie mal vom Buchstabenstein gehört?«, begann Laura zur Verblüffung der anderen.
»Nein«, waren sich Walter Dreyer und Judith Brunner einig. Was hatte das mit dem Toten zu tun?
»Ja«, staunte Dr. Renz, »da hätte ich auch drauf kommen können. Eine ausnehmend hübsche Idee.« Und noch ehe die beiden anderen ungeduldig werden konnten, ergänzte er: »Ich kenne einen, in Meißen.«
Laura übernahm die weiteren Erklärungen: »Kompliment, Dr. Renz. In einer Mauer an einem der sieben Wege zur Albrechtsburg, am Stufenweg, ist der Buchstabenstein eingelassen. Ein etwa so großes Sandsteinrelief.« Sie zeigte mit den Händen eine Fläche von der Größe eines Blattes Schreibpapier an. »Zu sehen sind verschlungene, barocke Großbuchstaben. Ende des 17. Jahrhunderts hatte ein königlicher Beamter das Grundstück erworben und ein Haus darauf gebaut. Voller Stolz ließ er als Schlussstein über dem Portal diesen Schmuckstein vermauern. Die Buchstaben setzen sich aus seinem und dem Namen seiner Ehefrau zusammen.
Und mit viel Fantasie kann man darin alle Buchstaben des Alphabets erkennen.«
»Woher weißt du das alles, Laura?« Ihr flüssiger Vortrag zu diesem nicht gerade gängigen Thema beunruhigte Walter fast.
»Ich habe oft genug mit ihm davor gestanden.«
»Mit wem?«
»Mit Robert Wolff, dem ermordeten Mann.«
»Moment. Robert Wolff? Du kennst seinen Namen? Er und du? Ihr habt davor gestanden? Oft?«
Judith Brunner und Dr. Renz hielten sich zurück. Sollte Walter Dreyer ruhig versuchen, Ordnung in diese Bemerkungen zu bekommen. Sie waren gespannt.
Laura klang eher wütend als verzweifelt. »Ich kann ja auch nichts dafür! Was hatte er hier überhaupt zu suchen!« Dann atmete sie tief durch. »Also, ich kenne ihn. Er heißt Robert Wolff und ist, ich meine, war Arzt. Ich habe ihn im letzten Sommer bei einem Praktikum mit meinen Forschungsstudenten in der Nähe von Meißen kennengelernt und wir haben etwas Zeit zusammen verbracht. Wir waren auch ein paarmal abends zusammen aus. Es war wunderbar. Er war charmant, klug, unaufdringlich und sehr, sehr wirkungsbewusst.« Mit einem Blick in die Runde versicherte sie sich des Verständnisses für das, was jetzt noch kommen musste. »Wissen Sie, einmal saßen wir in einem Café und er war plötzlich abgelenkt oder unkonzentriert, und übergangslos schien es, als sei ich
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