Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
nicht mehr existent für ihn. Sein Blick erreichte mich nicht, obwohl er mich ansah. Und ich wusste in diesem Moment ganz genau, wie es enden würde mit uns, welche lapidaren Worte er finden und wie er mich dabei anschauen würde: Völlig uninteressiert und gelangweilt, nur in der Hoffnung, ich würde keinen Ärger machen. Das war ein Augenblick der Erkenntnis, in dem mir äußerst unbehaglich zumute war. Einen Atemzug später war es vorbei, ich stand wieder im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit und hörte ihn wunderschöne Sätze sagen. Doch ab da war ich alarmiert.«
Laura beruhigte sich mit einer Trüffelpraline, bevor sie weiter berichtete: »Wider besseren Wissens ließ ich mich auf einen Wochenendausflug ein. Ein Freund von Robert hatte ein Grundstück mit einem kleinen Weingut an der Elbe und es war Spätsommer – ich freute mich einerseits, andererseits war mir klar, dass die Beziehung kein Happy End haben konnte. Leider war ich nicht konsequent. Wir fuhren also los und es versprach, ein schöner Tag zu werden. Doch schon bei unserer Ankunft stimmte etwas nicht. Robert führte mich vor wie eine Trophäe. Sein Freund musterte mich auf eine Art, die mich ahnen ließ, auf welche Weise ich angekündigt worden war. Irgendeine Erwartung lag in seinen Blicken. Es war sehr unangenehm, obwohl sich beide Männer überaus freundlich und ungezwungen benahmen. Ich fühlte mich einfach nicht wohl dort. Kurz und gut, am Nachmittag habe ich mich verabschiedet und bin mit dem Bus zurückgefahren. Robert wirkte zwar verwirrt, aber erneut sah ich in seinen Augen dann den Blick, von dem ich eben erzählte.« Laura seufzte. »Ich habe ihn nie wieder gesehen, und ich kann mir wirklich nicht denken, dass er irgendetwas von mir wollte. Dafür war unsere Bekanntschaft zu flüchtig.«
Dr. Renz schenkte allen Kaffee nach und sie hatten einige Momente Zeit, Lauras Schilderungen einzuordnen.
Judith Brunner begann, professionell die Fakten abzufragen: »Was für ein Arzt war er?«
»Orthopäde. Ich hatte eine Praktikantin von mir zu ihm begleitet, die Rückenprobleme bekam. Als es um den Papierkram ging, bat er mich dann hinzu. So haben wir uns kennengelernt.«
»Hatten Sie sich gleich in seiner Praxis verabredet?«
»Nein. Er bot dem Mädchen an, am nächsten Tag zu einer Visite in unsere Pension zu kommen. Dort sind wir uns dann wieder über den Weg gelaufen. Es war am späten Nachmittag und er informierte mich kurz über den Zustand meines Schützlings. Dann fragte er, ob ich schon zu Abend gegessen hätte. Er war sehr aufmerksam.«
»Hat er etwas von sich erzählt? Familie? Ehefrau?« Judith wollte schnell mehr Informationen.
Laura hatte keine Probleme zu antworten: »Er war als ganz junger Mann mal verheiratet, wegen eines Babys, hatte er mir gesagt. Seine Tochter müsste jetzt Anfang zwanzig sein. Er hatte sie wohl ewig nicht gesehen. Ob das stimmt, kann ich natürlich nicht sagen.«
»Wie heißt denn die Tochter?«
»Keine Ahnung. So gut kannte ich ihn nun auch wieder nicht! Er erwähnte sie nur ganz kurz.«
Walter schaltete sich ein: »Weißt du, wo seine Familie lebt?«
Laura schüttelte mit dem Kopf.
»Der Freund mit dem Weinberg. Wie hieß der? Erinnerst du dich?«
»Jesco. Mehr weiß ich nicht, aber eine Bushaltestelle ist nicht weit weg von seinem Grundstück gewesen. Die Straße könnte ich wiedererkennen.«
Judith Brunner hatte einen anderen Vorschlag: »Da versuchen wir erst einmal, die Kollegen vor Ort einzuspannen. So viele Jescos mit einem Weinberg an der Elbe wird es wohl in Meißen nicht geben.« Und über Robert Wolff müssten sie natürlich auch mehr wissen als wir, dachte sie.
»Was für ein Auto fuhr er?«, fragte Walter weiter.
»Ein dunkelgrünes, älteres Modell, einen Volvo. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Ich kenne mich nicht gut aus mit Autos.«
»Und der Buchstabenstein?« Walter kam auf dieses Detail zurück.
»Wir sind ein paarmal, wahrscheinlich nicht ganz zufällig, dran vorbeigebummelt. Der Stein ist wirklich eine hübsche Idee«, stimmte Laura Dr. Renz zu. »Wir haben uns darüber unterhalten und versucht, unsere Namen darin zu finden. Und Robert hat dann auf seine ziselierte Gürtelschnalle gedeutet und tatsächlich behauptet, den Namen Laura eigens in Silber gehauen zu haben, um immer an mich denken zu können. Es war natürlich eine charmante Flunkerei, obschon sie wirkte. Er gefiel mir in diesem Moment sehr.«
»Hatten Sie eine Affäre?« Judith Brunner ließ nicht locker.
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