Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
Ahnung. Er kann sie auch geerbt haben. Oder jemand hat sie ihm geschenkt.«
Judith Brunner unterbrach die Männer kurz und berichtete von den Möglichkeiten des Altstoffhandels als Bezugsquelle, die sie erst vor wenigen Stunden auf dessen Betriebshof gesehen hatte.
Walter Dreyer blieb skeptisch. »Ob beim Altstoffhandel so wertvolle Bücher rumliegen?«
»Und wie will er denn an Kunden kommen? Hier in Poppau? Reichtümer hat er bisher damit nicht angehäuft«, wies Dr. Grede sie mit einem Wink in den Raum hin.
Sie mussten ihm zustimmen. Wohlhabend schien Dampmann nicht zu sein.
»Haben Sie schon Kontoauszüge, Bankunterlagen oder so gefunden?«, wandte sich Judith an Ritter.
»Bisher nicht, hier, die Ordner müssten noch durchgesehen werden.« Nachdem er das Regal fotografiert hatte, brachte er vier breite Stehordner zum Nierentisch.
Walter Dreyer fand Papiere zum Hauseigentum von Dampmann: Grundbuchauszüge, Rechnungen für Energie und Wasser, für Reparaturen.
Judith Brunner blätterte die Unterlagen zum Erbfall durch. »Nichts Auffälliges«, und nahm sich den nächsten Ordner. »Ein Konto bei der Post. War ja wohl klar. Normaler Kontostand, ein paar Hundert Mark.« Sie blätterte in einem Sparbuch der Kreissparkasse, das in einem eingehefteten großen Briefumschlag gesteckt hatte. »Auch nichts Weltbewegendes.«
»Das ist schon seltsam«, ließ sich Dr. Grede vernehmen. »Sehen Sie mal«, und er reichte ihnen seinen Ordner über den Tisch.
Judith Brunner sah lauter leere Briefumschläge, die an den Seiten aufgetrennt und dann abgeheftet worden waren. Darunter befanden sich auch viele bunt bedruckte Briefumschläge aus aller Herren Länder, mit Sondermarken, viele mit Luftpostkennzeichnung. Auf den ehemaligen Innenseiten der Kuverts waren Tagesdaten und Geldsummen vermerkt.
»Dampmanns Kunden?«, vermutete Dr. Grede, »so viele aus dem Ausland? Das ist niemandem aufgefallen?«
»Er arbeitet immerhin selbst bei der Post, das hat sicher geholfen«, vermutete Walter Dreyer und beugte sich interessiert über die Umschläge. »Was, der auch!?« Und als ihn die anderen fragend ansahen, ergänzte er: »Michaelis hatte ebensolche Post! Die habe ich auf seinem Schreibtisch gesehen.« Er blätterte die Seiten vorsichtig durch. »Ich hätte nie gedacht, oh, hier, die Anschrift!«, wunderte er sich laut.
Jetzt sah auch Judith Brunner, dass alle im Ordner abgehefteten Briefe an Bruno Michaelis in Breitenfeld adressiert waren. »Der Wetterfritze?«
»Ja«, bekräftigte Walter, »bei Michaelis lagen ganze Stapel von bunten Umschlägen rum, viele sogar noch mit Inhalt, soweit ich mich erinnere.«
»Dann hat ihm Dampmann diese hier möglicherweise nicht ausgehändigt und unterschlagen?«, schlug Dr. Grede eine Erklärung vor.
»Warum sollte er? Und wo ist der Inhalt?« Keiner wusste eine Antwort auf Judiths Fragen.
»Hier im Haus sind wir eigentlich so gut wie durch, und die Nebengebäude schaffen wir erst morgen«, meinte Ritter überzeugt, als einer von seinen Kollegen, der gerade vor der Anrichte hockte und die Bücherstapel vorsichtig durchsah, laut rief: »Ach!« Er hielt ein dickes Bündel Geldscheine in der Hand. »Im hohlen Buch, das ist ja wie im Film.«
Alle umringten ihn neugierig. »Wie viel ist das wohl?«
»Das sind alles blaue Scheine. Hunderter. Da kommen schon ein paar Tausend Mark zusammen.«
Die Hausdurchsuchung hatte lange gedauert und sie waren auf keinerlei Kinderkleidung gestoßen. Doch allein die Entdeckung des Bargeldes und der antiquarischen Bücher bot genügend Anlass, um sich intensiver mit Dampmann unterhalten zu können. Judith Brunner war sich sicher, dass er dafür keine plausible Erklärung bieten konnte.
Thomas Ritter und seine Mitarbeiter waren noch länger mit dem Verpacken der Bücher beschäftigt. Bis das Haus versiegelt werden konnte, würde noch einige Zeit vergehen.
Da ihre Mitwirkung nicht länger vonnöten und der Poppauer Dorfkrug geschlossen war, entschieden sich Judith, Walter und Dr. Grede nach getaner Arbeit für ein Abendessen in der »Altmärkischen Schweiz« in Waldau.
Mittwochabend war hier nicht viel los. Die Leute, die zum Feierabendbier vorbeigekommen waren, hatten sich schon längst nach Hause getrollt; für Familienfeiern wählten die Altmärker lieber andere Wochentage. So saßen nur zwei Ehepaare an den Tischen für die Hausgäste und verzehrten ihre Mahlzeit, und ein einzelner Mann wartete vor einem Bier auf sein Essen. Er blätterte lustlos in
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