Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
einer Illustrierten, von denen immer einige zerlesene Exemplare für gelangweilte Gäste auslagen.
Der Wirt, Wolfgang Merker, kam erfreut hinter dem Tresen hervor. »Wo möchten Sie sitzen?«
Judith steuerte zielgerichtet auf einen Lehnstuhl direkt an einem ovalen Tisch neben dem großen Kachelofen zu. Sie war völlig durchgefroren. Deswegen orderte sie auf die Frage nach den Getränken auch einen Glühwein. Erst im Nachhinein fiel ihr ein, dass sie oder Walter Dr. Grede ja noch mit dem Wagen nach Hause bringen müssten, wo immer ihr Kollege auch wohnen mochte.
»Ich nehme einen schwarzen Tee«, bestellte Walter und wurde mit einem dankbaren Blick belohnt.
Nachdem Dr. Grede sich für ein Bier entschieden hatte, lasen sie still in den Speisekarten.
Judith entdeckte die Altmärkische Hochzeitssuppe und beschloss, eine ganze Terrine zu erbitten. Die Männer wählten gebratene Semmelwürste mit Sauerkraut.
Als ihre Getränke vor ihnen standen, fühlten alle drei die angenehme Vorfreude auf eine deftige Mahlzeit.
»Ganz schön viel für den Anfang, was?«, meinte Dr. Grede freundlich zu Judith.
Sie freute sich über sein Entgegenkommen. Im Moment belasteten sie die Anforderungen ihres neuen Arbeitslebens gar nicht so sehr. Die Ermittlungsarbeit ging voran und sie hatte schon einige fähige und nette Mitarbeiter kennengelernt, Dr. Grede eingeschlossen. Sie war mit Walter zusammen und alles fühlte sich leicht an.
Judith lächelte Dr. Grede dankbar zu. »Ich bin einigermaßen optimistisch. Es kommen sicher auch ruhigere Zeiten, so turbulent wird es ja nicht weitergehen.«
»Wollen wir es hoffen. Meist plagen wir uns nämlich mit Diebstahl, Körperverletzungen aller Arten oder manchmal auch Betrügereien rum ... Ah, unsere Essen kommen«, unterbrach sich Dr. Grede und sah erwartungsfroh dem Wirt entgegen.
Sie konnten sich Zeit für ihre üppigen Portionen nehmen und versicherten sich gegenseitig der schmackhaften Gerichte.
Walter hoffte, dass seinem Schlachter die Semmelwürste genauso gut gelungen waren.
Später setzte er Judith vor Laura Perchs Haus ab, wünschte ihr eine gute Nacht und fuhr Dr. Grede nach Hause. Als er dann gegen Mitternacht an seinem warmen Kachelofen lehnte, träumte Walter Dreyer bei einem Glas Weinbrand dem Tag hinterher.
Donnerstag
~ 47 ~
Als Judith am Morgen in die Küche kam, traf sie Laura, noch in Schlafsachen, beim Blättern in einem Buch an. Es war schon wohlig warm, Wasser simmerte leise auf dem Herd und sie hatte es sich im Küchensessel bequem gemacht.
Wilhelmina saß daneben auf dem Fensterbrett und tat so, als billige sie, was die Hausherrin las.
»Guten Morgen, Judith! Ich habe mir heute Nacht überlegt, so etwas wie die kleinen Spritzkuchen von Frau Meden müsste ich auch hinkriegen.« Laura zeigte das zerlesene, dicke Buch, dessen Leinenrücken schon sehr zerschlissen war, vorsichtig her. »Das ist das Kochbuch meiner Großmutter.«
»Die waren wirklich lecker«, gab Judith zu. Beide hatten tatsächlich tüchtig zugelangt. »Aber ob das so einfach geht?«
»Probieren würde ich es schon gern mal. Hören Sie, für das Grundrezept für die Spritzkuchen benötigt man nicht viel:
1/8 l Milch
50 g Margarine
20 g Zucker
100 g Mehl
2-3 Eier
1 Prise Backpulver
1 Prise Salz
Ausbackfett.
Das habe ich alles im Haus. Bis auf das Kokosfett, das muss ich noch einkaufen.«
»Und weiter?«
»Zucker, Margarine und das Salz in der Milch aufkochen. Das Mehl auf einmal hinein kippen und rühren, bis sich vom Topfboden ein Kloß abbäckt. Dann vom Feuer nehmen.«
Das klang für Judith schon recht schwierig. Ein Kloß abbäckt? Dennoch sah sie Laura optimistisch an.
»Ein verquirltes Ei gleich unterrühren, die andern und das Backpulver erst, wenn der Teig erkaltet ist.« Das klang simpel. »Nun alles in die Spritztüte füllen.«
Spritztüte? Judith schwieg weiter. Sie wusste zwar prinzipiell von der Existenz dieses Küchengerätes, doch hatte sie noch nie eine Spritztüte benutzt.
»Quadrate von Pergamentpapier in das heiße Ausbackfett legen, Ringe von dem Teig draufspritzen und in das heiße Fett gleiten lassen.«
»Klingt ganz schön gefährlich. Geht das nicht einfacher?«
Laura ließ sich nicht beirren. »Goldbraun backen und entnehmen. Abkühlen lassen, glasieren oder zuckern. Hm.« Laura wog ihre Backerfahrung gegen das zu erwartende Ergebnis ab. Völlig aussichtslos schien ihr das Unterfangen dennoch nicht. »Ich probiere es mal. Das mit dem
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