Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
entschied dann: »Machen Sie bitte drei Durchschläge«, wer weiß, wofür die Listen benötigt würden, fügte sie in Gedanken hinzu.
Lisa Lenz verschwand kurz, kam mit einer Schreibmaschine und Papier wieder, legte die Kohlebögen ein und wartete auf Lauras Diktat.
»Dann fangen wir also an: 1. Stapel. Alte bemalte Bauernmöbel, 1938«, Lisa tippte und Laura fuhr fort: »Tizian. Gemälde und Zeichnungen, 1936; La Tour, der Pastellmaler Ludwig XV., 1918. Hm, das war wohl für Kunstfreunde gesammelt. 2. Stapel. Meyers Konversationslexikon, 1874, sind aber nur einige Bände. Muss noch komplettiert werden.«
~ 48 ~
Walter Dreyer hatte sich am Morgen bewusst etwas Zeit genommen, um seine Räucherwürste, Speckseiten und Schinken zu begutachten und zu pflegen. Er wusste, dass diese Mühen belohnt werden würden. Auch genoss er den Duft, den die Räuchersachen ausströmten. Sein ganzes Haus war erfüllt davon, denn einstweilen hingen viele Wurstringe auf ihren Holzstäben lediglich zwischen zwei rücklings gestellten Stuhllehnen oder waren mittels anderer Provisorien verteilt.
Zufrieden mit seiner Besichtigung, machte er sich dann auf den Weg nach Breitenfeld. Die Fahrt verlief problemlos, denn der Reif hatte sich zumindest auf der Straße abgefahren. Dreyer hatte vergessen, sich nach der Arbeitsstelle von Michaelis zu erkundigen und war sich nicht sicher, ihn überhaupt zu Hause anzutreffen. Michaelis konnte sonst wo unterwegs sein. Ans Telefon war der Mann nicht gegangen, als Dreyer sich vorhin anmelden wollte. Vielleicht las er gerade die diversen Messwerte von den Wettergerätschaften im Gelände ab.
Walter Dreyer stellte seinen Wagen genau vor dem Haus von Bruno Michaelis ab. Samstagsabend war es schon dunkel gewesen und so sah Dreyer erst jetzt, im trüben Vormittagslicht, dass der Zaun, der den Vorgarten vom Fußweg trennte, aus zusammengeschweißten Pflugscharen bestand, die als Muster eine kompakte Wand bildeten. Dann bemerkte er einen großen Briefkasten aus verschweißtem Stahlblech am Zaun, der keinen genormten Maßen entsprach und sicher Marke Eigenbau war. Beeindruckend war auch das Sicherheitsschloss, mit dem der Kasten zum Vorgarten hin versehen war. Im Briefschlitz steckte die Tageszeitung, sodass Walter optimistisch klingelte, da er den Bewohner noch drinnen wähnte. Dennoch öffnete ihm niemand, auch nicht nach dem dritten Klingeln. Dreyer ging um das Haus herum und rief laut nach Michaelis. Hinter dem Haus war ebenfalls niemand zu sehen. Ein niedriger Lattenzaun umschloss das kleine Areal der Wetterstation. Auf einem flachen, hüfthohen Bretterhäuschen war ein Niederschlagsmesser zu sehen, und ein Windmesser drehte sich träge. Weitere Bewegungen waren nicht zu erkennen. Vom Gesuchten keine Spur.
Walter Dreyer wurde auf sich selbst ärgerlich, da er nun doch die Arbeitsstelle von Michaelis herausfinden musste. Vielleicht konnten ihm ja die Nachbarn weiterhelfen.
Im Haus zur Rechten öffnete ihm nach mehrfachem Klopfen – einen Klingelknopf oder ein Namensschild hatte Dreyer nicht finden können – ein vierschrötiger Mann unbestimmbaren Alters die Tür, der sichtlich verärgert war, gestört zu werden. Er trug lediglich eine lange Unterhose und ein kariertes Oberhemd. Von beiden war es unmöglich, eine Farbe zu benennen. Sicher war nur, dass die Kleidung schon längere Zeit in Benutzung war. Die nackten Füße steckten in ramponierten Pantoffeln und Dreyer ahnte, dass zu diesem Haushalt irgendwie ein Hund gehören musste.
Offenbar erkannte der Mann ihn, denn ohne nach dem Warum für die Störung zu fragen, bemerkte er: »Hab noch geschlafen«, und ging wieder ins Haus zurück. Da er die Tür offen ließ, fasste Dreyer das als Einladung auf und folgte dem Unbekannten.
Sie gelangten in eine Küche, die vor zwanzig Jahren eingerichtet und seit dem gut gepflegt worden war. Alles war blitzsauber. Der Mann begann, einen Wasserkessel zu füllen. Ein Hundenapf war nicht zu sehen.
»Ich brauch einen Kaffee. Sie auch?«
Dreyer nickte und zerbrach sich den Kopf, woher er den Mann kennen müsste. Vorsichtig begann er: »Tut mir leid, dass ich Sie geweckt habe. Ich suche Ihren Nachbarn, Bruno Michaelis.«
»Den Bruno suchen Sie? Keine Ahnung, wo der steckt. Kommt sicher bald wieder. Der fährt nie weg.« Der Mann überlegte. »Hab ihn aber schon ein paar Tage nicht gesehen. Ich arbeite Schicht, wissen Sie. Und jetzt im Winter – man ist ja kaum im Hellen mal draußen, um sich zu
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