Eisblumen - Ein Altmarkkrimi (Judith Brunners zweiter Fall) (German Edition)
begegnen. Im Frühjahr sehen wir uns dann wieder öfter.«
»Wissen Sie, wo er arbeitet?«
»Bruno? Der arbeitet nicht.« Der Nachbar zögerte, bevor er fortfuhr: »Oder zumindest nicht richtig, ich meine, nicht so, dass er deswegen irgendwohin müsste. Der weiß Sprachen und übersetzt wohl Texte. Das kann er auch zu Hause. Na ja, jedenfalls sagt er das, und da er ganz gut lebt, wird es wohl so sein.«
Aus dieser Bemerkung war schon eine gewisse Skepsis herauszuhören, sodass Dreyer nachfragte: »Aber genau wissen Sie das nicht?«
»Keiner weiß das hier genau. Wissen Sie, der Bruno ist gern so ein wenig für sich, wenn Sie verstehen, was ich meine. Er ist nicht unfreundlich aber redet nicht viel mit den Leuten. Ich dachte, als meine Frau ...«, der Mann seufzte, und goss das heiße Wasser auf das Kaffeepulver in der Porzellankanne, »als meine Frau gegangen ist, wir könnten uns als Nachbarn etwas helfen. Nicht dass Sie mich missverstehen, also Bruno nimmt schon mal meine Post an, aber mehr ist eben nicht drin. Wenn Handwerker kommen und ich hab Schicht, muss ich rüber zu Wiecherts gehen, damit die den Schlüssel nehmen. Oder letztes Jahr, ich hatte übers Wochenende Aussaat zu wässern, nur ein Beet. Das war ihm schon zu viel.«
»Kennen Sie ihn schon lange?«
»Sicher! Seit er hier wohnt. Das sind schon ein paar Jahre.« Dann sah er durch die Zimmerwand in Richtung der Wetteranlagen seines Nachbarn und fuhr nach einer kleinen Pause fort: »Mit seinem Wetterzeug, das nimmt der Bruno richtig ernst. Nach dem können Sie eigentlich die Uhr stellen, immer geht er zu seinen Geräten.« Ruhig goss er die Tassen voll und schob eine über den Tisch zu seinem Besucher.
Dreyer nickte dankend. »Also übers Wetter müssten Sie sich doch jederzeit unterhalten können«, versuchte er es weiter.
»Sollte man meinen. Stimmt schon. Funktioniert aber auch nicht. Er reagiert nur einsilbig. Da denkt man immer, man stört ihn bei irgendwas, wenn man ihn fragt. So richtig komm ich mit ihm nicht klar. Der will eben nicht.«
»Nanu, er betreibt das Ganze extrem aufwendig. Die ganzen Anlagen und so. Aber er will nicht darüber reden?«
»Nee, der schreibt lieber in alle Welt. Richtig dicke Umschläge bekommt der. Wohl für seine Übersetzungen. Wir wundern uns hier alle ein bisschen. Sein einziger regelmäßiger Kontakt ist der Postheini. Beinahe jeden Tag muss der hier halten und gibt ganze Kartons mit bunten Briefen oder dicken Umschlägen ab. Nimmt auch oft was wieder mit. So viel Post bekommt sonst keiner. Und mit dem redet der Bruno öfter, trinken sogar mal ’n Bier zusammen, hab ich selbst gesehen. Aber heute war der Postmann auch noch nicht hier.« Fragend deutete er auf die leere Tasse und Dreyer lehnte höflich ab. Erst als er das Geschirr zur Spüle trug, fragte der Mann: »Was ist denn eigentlich los?«
»Wir brauchen ein paar genaue Angaben zum Wetter von vor ein paar Wochen, wegen eines alten Falles«, redete Dreyer sich heraus und verabschiedete sich.
Als er vor die Haustür trat, sah Walter Dreyer aus dem gegenüberliegenden Haus jemand auf die Straße gehen. »Hallo, warten Sie bitte einen Moment«, rief er hinüber. »Darf ich Sie etwas fragen?«
Beim Näherkommen sah er, dass die Frau gar nicht so alt war, wie ihr vorsichtiger Schritt ihn hatte vermuten lassen. Wahrscheinlich war das Pflaster ihres Gartenweges wesentlich glatter als der Sandweg neben der Straße, den er benutzte.
Sich an der Gartentür festhaltend, blieb die Frau stehen und sah ihm entgegen. Dreyer bemerkte, dass sie wohl einkaufen gehen wollte, denn sie trug einen geblümten Stoffbeutel mit Pfandflaschen bei sich.
»Danke. Ich bin Walter Dreyer, Ortspolizist aus Waldau. Ich suche Ihren Nachbarn, Bruno Michaelis.«
Sie sah zu dem Haus hinüber. »Den hab ich heute noch nicht gesehen. Vielleicht ist er früh weg. Wenn der Horst Apel nichts mitbekommen hat? Sie kommen doch von dort.«
»Genau, aber der konnte mir auch nicht helfen, Frau ...?« Noch ein Gespräch mit einem unbekannten Gegenüber wollte Dreyer nicht führen.
»Marion Wiechert.« Das klang völlig desinteressiert.
»Danke, Frau Wiechert, wenn Sie ...«, wollte Dreyer die Befragung beginnen, wurde jedoch sofort von ihr unterbrochen.
»Nicht mehr lange.«
»Wie bitte?« Walter verstand nichts.
»Ich meine, ich heiße nicht mehr lange so. Wiechert. Scheidung. Ich will dann meinen Mädchennamen wiederhaben.« Das hingegen klang resolut.
»Oh«, mehr konnte Walter
Weitere Kostenlose Bücher