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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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über historische Anthropologie bei Professor Gellert
machen werde. In Psychologie fehlen mir noch zwei Scheine. Etwas mehr Wissen
über das von Ihnen angebotene Thema würde meiner Arbeit in Anthropologie sicher
helfen.«
    Â»Worüber wollen Sie denn schreiben?«, fragte Anna.
    Â»Das Thema steht noch nicht genau fest. Aber es wird um
spätmittelalterliche Körperkonzepte gehen.«
    Anna konnte sich darunter herzlich wenig vorstellen, und sie hatte
auch keine Ahnung, wie er damit an Freuds Thesen über den Fetischismus
anzudocken gedachte, doch der Student wirkte ernsthaft engagiert. »Also gut,
falls sich Herr Obermüller nicht bei mir meldet und Sie der feindlichen
Übernahme bezichtigt, haben Sie den Platz.«
    Sie strich Obermüllers Namen aus und setzte Martins dahinter.
Unterdessen klopfte es wieder an der Tür. Zaghaft streckte Yvonne ihren Kopf
herein: »Hallo, Anna, störe ich?«
    Erfreut erhob sich Anna und umarmte Yvonne: »Was machst du denn
hier?« Yvonne sah verunsichert zu dem Studenten: »Ich will wirklich nicht …«
    Martin erhob sich, blinzelte Yvonne zu und meinte, er sei sowieso
gerade im Gehen begriffen. Mit einer kleinen Verbeugung verabschiedete er sich
von Anna.
    Yvonne sah sich in Annas Büro um: »Fast so schäbig wie unsere Butze
in der Schanze, was?«
    Anna lachte: »Bist du hergekommen, um mir den ersten Tag zu
vermiesen?« Yvonne bestritt das energisch. Nach einem kurzen Geplänkel über
Annas Kanadareise und unter bewusster Auslassung des Themas Christian, kam
Yvonne zum Grund ihres Besuchs. Sie hatte sich vor wenigen Wochen als Studentin
der Psychologie eingeschrieben und arbeitete ab Semesterbeginn nur noch halbtags
bei der Soko. Die Jungs ganz im Stich zu lassen, hatte sie nicht übers Herz
gebracht. Außerdem lerne sie dort eine Menge, was ihr für ihren Berufswunsch
vermutlich genauso nützlich wäre wie das Psychologiestudium: Sie wolle
Profilerin werden. Wie Pete. Und obwohl sie nun gerade erst anfing, würde sie
wahnsinnig gerne an Annas Seminar teilnehmen.
    Ãœberrascht wies Anna auf die Belegung des Seminars hin und vor allem
auch auf die zu erwartenden Schwierigkeiten für Yvonne, als Erstsemester dem
Unterricht zu folgen. Doch Yvonne ließ sich nicht entmutigen. Sie versprach,
ganz still in der Ecke zu sitzen und nur konzentriert zuzuhören, sie wollte eh
keinen Schein machen und bettelte so herzerweichend, dass Anna schließlich
lächelnd nachgab und sie zuließ.
    Volker saß nicht weit von Anna und Yvonne entfernt beim
Chef des Orientalistik-Seminars in der Rothenbaumchaussee. Professor Kranz, ein
dynamischer Mann Anfang sechzig, nahm die Nachricht von der Ermordung einer
seiner Studentinnen mit echter Erschütterung auf. Auf Volkers Nachfrage hatte
er ihm eine Liste mit allen Dozenten des Seminars sowie allen immatrikulierten
Studenten zur Verfügung gestellt.
    Â»Ziemlich viele Araber, die hier studieren. Ist das nicht seltsam,
dass Araber in Deutschland Islamwissenschaften belegen? Die machen sich’s ganz
schön einfach, immerhin können sie die Sprache schon«, sagte Volker.
    Â»Würden Sie Theologie in der Vatikanstadt belegen?«, fragte
Professor Kranz mild zurück. »Wohl kaum. Vor nicht allzu langer Zeit hätten Sie
dort herzlich wenig über die Inquisition gelernt.«
    Volker gab Kranz lächelnd recht. Er sah wieder auf die Liste: »Haben
Sie auch Iraner hier? Ich kann die Namen leider nicht von den arabischen
unterscheiden.«
    Kranz nickte. »Wir haben einen Studenten, Ahmad Khodakarami, ein
hoffnungsvolles Talent, und natürlich unseren Dozenten, Kouros Mossadeqh. Ich
glaube aber nicht, dass Uta Berger iranisch belegt hat.« Er verbesserte sich:
»Hatte.«
    Â»Gab es jemandem im Seminar, mit dem sie befreundet war?«
    Kranz hob leicht überfordert die Hände. »Wir sind zwar ein recht
kleiner Verein, und ich weiß wirklich nicht über alle meine Studenten und
Studentinnen Bescheid, hamdulillah«, antwortete er. »Aber wenn ich nicht irre,
habe ich Frau Berger ein paarmal mit Ahmad gesehen.«
    Zehn Minuten später saß Ahmad, ein lässig gekleideter Mittzwanziger
mit blauschwarz glänzendem Haar, in Kranz’ Büro vor Volker. Als er vom Tod Uta
Bergers hörte, wobei Volker jegliche Details aussparte, traten ihm die Tränen
in die Augen.
    Â»Standen sie sich sehr nah?«, fragte

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