Eisblut
Hansi, der beste Kumpel
vom Schorsch. Hab ihn aber seit Samstag nicht mehr gesehen.«
Anna drückte Hansi die Hand: »Vielleicht ist er untergetaucht, weil
er was beobachtet hat?«
Hansi zuckte mit den Schultern: »Kann sein. Würde ich jedenfalls
machen.«
»Wann habt ihr euch denn getrennt Samstag?«
Der Ãltere warf Hansi einen wütenden Blick zu und übernahm die
Gesprächsführung wieder: »Holst du uns Bier? Dann reden wir weiter.«
Anna sah an sich herunter: »Sehe ich aus, als ob ich Geld
dabeihätte? Aber ich kann euch morgen beim Joggen Kohle vorbeibringen für ein,
zwei Sixpack.«
Die Männer befanden, dass die Chance auf Bier morgen besser sei als
jetzt überhaupt keins. Mit einem Kopfnicken erteilte der Anführer Hansi
Redeerlaubnis.
»Wir waren tagsüber auf dem Jungfernstieg und haben danach die Kohle
versoffen. Weià nicht mehr, wo wir überall waren. Jedenfalls ham wir uns erst
gegen drei Uhr in der Früh getrennt. Das weià ich noch, obwohl ich total dicht
war. Hab nämlich auf âner Bank im Turmweg genächtigt, vor der Johanniskirche.«
Anna strahlte Hansi an: »Das ist doch super. Damit hat Schorsch ein
Alibi. Würdest du das auch einem Freund von mir erzählen? Der ist zwar Bulle,
aber echt in Ordnung. Und für Schorsch wäre das âne groÃe Hilfe.«
»Dacht ichâs mir doch«, mischte sich der Ãltere wieder ein, »von
wegen Zeuge. Die verdächtigen den Schorsch!«
»Nicht mehr, wenn Hansi meinem Freund alles erzählt«, versuchte Anna
zu retten, was noch zu retten war. Sie war aber auch zu blöd.
»Bring morgen Kohle für ein paar Sixpack vorbei. Dann kann dein
Freund mitkommen. Wir sind immer hier bis elf Uhr. Und jetzt zisch ab.« Der
Anführer entlieà sie mit lässiger Handbewegung aus der Audienz. Anna nickte
Hansi freundlich zu und setzte sich wieder in Trab. Sie sah auf die Uhr, es war
kurz vor neun. Ab nach Hause, Christian anrufen. Nein, sie würde ihn nicht
anrufen, sie wollte ihn sehen. Also schnell duschen, umziehen und dann los. Der
Tag fing gut an.
Um zwanzig vor zehn stand Anna mit ihrem Mini vor
Christians Haus im Eppendorfer Weg und klingelte. Er war nicht da. Sie wusste,
dass die Soko, wenn möglich, jeden Morgen um zehn Uhr zu einer Konferenz
zusammenkam, also schwang sie sich in ihren Kleinwagen und fuhr zum Schanzenviertel.
Vielleicht würde Christian ja dort sein, wenn auch inoffiziell. Natürlich
wollte sie mit dem Fall weiterhin nichts zu tun haben, redete sie sich ein.
Aber sie wollte mit Christian zu tun haben, das konnte sie sich zumindest nicht
länger ausreden. AuÃerdem hatte sie nichts dagegen, Volker, Eberhard und Daniel
auch mal wieder Hallo zu sagen.
Ihr überraschender Besuch wurde mit groÃer Freude aufgenommen, denn
alle im Team mochten Anna gerne und bedauerten aufrichtig, dass sie nicht mehr
mit Christian zusammen war. Auch Christian bedauerte es, das sahen ihm seine
Kollegen deutlich an. Als Anna auftauchte, ging ein Strahlen über sein Gesicht,
das er nur schwer verbergen konnte. Ihren Bericht über Georg Dassaus Alibi nahm
er zwar nicht ohne Murren auf â es erinnerte ihn fatal an ihre Einmischungen im
Bestatter-Fall â dennoch blieb er in seiner Kritik ungewohnt moderat und
schickte Eberhard und Volker gleich los, damit sie Hansi von seiner Bank holten
und zu einer offiziellen Aussage bewegten.
Kurz darauf traf Yvonne ein, sie war wie jeden Morgen kurz vor der
Konferenz zum Bäcker gesprintet, um alle mit frischen, belegten Brötchen zu
versorgen. Auch sie freute sich über Annas Besuch, schien jedoch auf etwas
anderes konzentriert. Mit einer extra Tüte ging sie hinüber zu Daniels kleinem
Kabuff. Er stand rauchend am Fenster mit dem Rücken zur Tür und telefonierte.
Fröhlich wollte Yvonne ihm schon die Tüte mit Diät-Backwerk zuwerfen, als sie
hörte, wie Daniel verliebt in den Hörer säuselte. Ganz offensichtlich hatte er
neuerdings eine Freundin. Entgeistert blieb Yvonne stehen. Dann drehte sie sich
leise um, warf die Tüte in den Mülleimer auf dem Flur und ging in ihr
Vorzimmer.
Anna und Christian bekamen Yvonnes emotionales Waterloo nicht mit.
Christian lauschte Annas psychologischen Ausführungen über Utas Tagebuchinhalt,
als sein Handy klingelte. Es war Eberhard, der unterwegs den Polizeifunk
mitgehört hatte. Am Museumshafen an der Elbe war
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