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Eisblut

Eisblut

Titel: Eisblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Heib
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als Psychologin hätten
sicher einiges über frühkindliche Fehlentwicklungen, narzisstische Störungen, deviante
Sexualität und was sonst noch alles dazu beizutragen. Doch letztlich versagt
da, zumindest meiner bescheidenen Meinung nach, die Forschung. Bei mir versagt
sogar die wissenschaftliche Neugier, die menschliche Empathie. Und die
Vorstellungskraft. Was meinen Sie?«
    Annas Aufmerksamkeit war abgelenkt von Martin, der den Artikel mit
deutlicher Bestürzung las. »Was haben Sie denn? Sie sind ja ganz blass. Das
stand doch schon Sonntag in allen Gazetten«, meinte sie überrascht. Martin gab
die Zeitung an Gellert zurück: »Ich habe seit Tagen keine Zeitung gelesen. Das
ist ja … furchtbar.«
    Jovial nahm Gellert seinen Studenten in Schutz. »Unser Herr
Abendroth ist sensibler, als sein Benehmen gemeinhin vermuten lässt. Aber da
wir das Thema offensichtlich alle grauenvoll finden, entschuldige ich mich
dafür, es angeschnitten zu haben und sorge für sofortige Wiedergutmachung. Wer
möchte gerne noch einen Espresso oder Kaffee? Hilfreich bei der Verdauung von
Mensafraß und Zeitungsmeldungen.« Sowohl Anna als auch Martin nahmen dankend
an.
    Eberhard und Volker betraten ein fensterloses, schwarz
getünchtes Etablissement auf dem Kiez. Sie brauchten einige Sekunden, bis sie
sich auf die karge Beleuchtung, die von einigen funzeligen Wandlampen
herrührte, eingestellt hatten. Zu ihrer Überraschung stellten sie fest, dass
der Laden, auf den ersten Blick und zumindest im Parterre, eingerichtet war wie
jede andere Boutique. Es gab Kleiderständer, Vitrinen und Regale, auch wenn die
präsentierten Waren stilistisch keine große Bandbreite boten. Alles war aus
schwarzem Leder.
    Eine junge, freundlich lächelnde und seriös gekleidete Verkäuferin
kam aus einem hinteren Zimmer und fragte, was sie für die beiden tun könne.
Spitze sei in der linken Vitrine, weil selten verlangt, Lack sei in der oberen
Etage, ebenso wie Zubehör. Volker wies auf eine zweite Treppe, die mit einer
metallgefassten Samtkordel, ganz wie die VIP-Teppiche vor großen
Hotels, abgesperrt war. »Und wo geht es dahin?«
    Â»Sie sind von der Polizei, nicht wahr?«, fragte die junge Frau
zurück und lächelte Eberhard an, »jetzt erkenne ich Sie erst, Herr Koch.«
Eberhard war genauso überrascht wie Volker, mit seinem Namen angesprochen zu
werden. »Kaufst du hier für deine Familienhygiene ein?«, war Volkers spontane
Reaktion. Eberhard schüttelte verwirrt den Kopf.
    Die Verkäuferin lachte: »Ich habe bis vor einem halben Jahr auf dem
Markt in Eimsbüttel Würstchen verkauft, wo Sie samstags immer mit Ihrem kleinen
Sohn sind. Ich heiße Daniela Sigrist. Ihr könnt Dani zu mir sagen.« Sie
schüttelte Eberhard und Volker die Hand.
    Â»Ach, du meine Güte, ja«, sagte Eberhard und erkannte nun auch den
Zusammenhang.
    Â»Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen alles. Wir haben nichts zu
verbergen«, fuhr Dani fort. »Da oben ist die sogenannte Folterkammer.
Eigentlich nur für Stammkunden zugänglich. Wir haben nämlich keine Lust, dass
uns jeder amüsiersüchtige Bustourist aus Bayern oder Thüringen durch die
Auslage stiefelt. Aber wenn Sie mögen, führe ich Sie gerne herum.« Volker und
Eberhard mochten. Die Folterkammer war allerdings weniger spektakulär, als sie
sich das gedacht hatten. An der einen Wand des mit dunkelgrünem und schwarzem
Samt ausgeschlagenen Raumes lehnte ein großes Holzrad, »zum Aufspannen«, wie
die Fachkraft erklärte. An der gegenüberliegenden Wand hingen kleine und große
Peitschen verschiedenster Ausführungen, Lack- und Ledermasken, mit und ohne
Nieten, Brustklammern und sonstige Kleinteile, die weder Eberhard noch Volker
identifizieren konnten. Die Ausführungen der Verkäuferin, die die
Funktionsweise von Analkugeln, Strap ons, Gummi-Zaumzeug, Liebesschaukeln und
Reizstrom-Dildos sachlicher beschrieb als ein Kaufhaus-Propagandist seine
wundersame Schnetzelmaschine, waren Eberhard schließlich zu peinlich. Er hielt
Volker davon ab, weiterzufragen und holte Utas Foto aus der Jacke. Dani
betrachtete das Foto genau, hielt es unter eine der Lampen, bedauerte aber,
nicht weiterhelfen zu können. Sie gab Volker die Namen ihrer Kolleginnen und
klärte ihn über die Schichten auf. Vielleicht war Uta hier gewesen, als eine
andere Dienst hatte. Volker und

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