Eisblut
Autounfall
gestorben. Den dritten habe ich gesprochen. Er hat mir erstaunliche Dinge
berichtet.«
Mohsens Miene wurde noch bitterer. »Wir Iraner sind ein sehr altes
Kulturvolk und haben schon immer groÃen Wert auf Stil, Bildung und Perfektion
gelegt. Deshalb haben die Iraner unter dem Schah Unterricht genommen. Das Fach
hieà Folter, der Lehrer CIA. Das Schah-Regime war ein zentraler Stützpfeiler
der US-Strategie
im Nahen Osten und verlässlicher Ãlproduzent, der vor allem für Israel und
Südafrika unverzichtbar war. Das amerikanische Militär und die CIA
unterhielten Stützpunkte auf iranischem Boden, von denen aus sie die
benachbarte UdSSR ausspionierten. Die Armee des Schahs wurde gegen nationale
Befreiungskämpfe in der Golfregion eingesetzt. Und die Savak, die Geheimpolizei
des Schahs, die Verschleppungen, Mord und Folter Tausender auf dem Gewissen
hat, wurde von amerikanischen Beratern ausgebildet. Vielleicht ist Ihnen die SOA
ein Begriff?«
Anna und Christian schüttelten den Kopf. Frau Hamidi goss Tee nach.
Das friedliche Plätschern der Flüssigkeit klang eigenartig in der Stille.
»Die âºU.S. Army School of Americaâ¹ hat seit 1950 Zehntausende
lateinamerikanische Militärangehörige in US-Militäreinrichtungen
ausgebildet, in Repressions- und speziell in Foltertechniken. Natürlich haben
die Amerikaner immer bestritten, dass die SOA in Folter schulte. Sie
haben sich aus der Affäre gezogen mit dem Argument, was die Südamerikaner mit
der Ausbildung anfingen, wenn sie wieder zu Hause wären, würde sich ihrer
Verantwortung entziehen.«
»So einfach, so plump?«, fragte Anna bitter.
Mohsen nickte. »Es wurde aber auch Unterricht vor Ort, in den
befreundeten Staaten erteilt. In Brasilien beispielsweise gab es einen
Ausbilder, der am lebenden Objekt unterrichtete. Er holte Bettler von den
StraÃen und folterte sie in eigens eingerichteten Unterrichtsräumen, damit die
einheimische Polizei lernen konnte, welches die empfindlichsten Körperteile
sind und wie man sie am wirkungsvollsten traktiert. Das plumpe Argument gegen
diese Vorwürfe war damals, dass die Südamerikaner selbst am besten wüssten, wie
man foltere. Trotzdem lieà sich die Ãffentlichkeit nicht ewig Sand in die Augen
streuen. 1996 sah sich das Pentagon gezwungen, Auszüge aus sieben
Trainingsbüchern zu veröffentlichen, die als Anleitung gedient hatten. Schon
damals haben die USA die Methoden nie im eigenen Land angewendet, immer
nur im Ausland. Diesem Grundsatz sind sie anscheinend bis heute treu
geblieben.«
Christian nickte: »Deshalb diese geheimen Gefangenenflüge in nicht
so zimperliche Länder.«
Mohsen fuhr fort: »Es wurde aber nicht nur ausgebildet, sondern auch
ausgetauscht. Erfahrungen, Techniken, Gerätschaften, wissenschaftliche
Erkenntnisse, die von Nutzen waren. Im Iran habe ich erfahren, dass damals eine
international besetzte Gruppe existierte, zusammengesetzt aus US-Amerikanern,
Südamerikanern, einigen Europäern, Asiaten und Israelis, die in den
verschiedenen Ländern Folterungen beiwohnten und auch durchführten, um sich
gegenseitig über ihre Spezialitäten und deren Wirksamkeit zu informieren. Es
gibt zwei Haupttypen von Folterern: Die einen sind komplett abgestumpft, haben
keinerlei Gefühle mehr und arbeiten mit der Präzision und Kaltblütigkeit von
Maschinen. Die anderen haben Spaà an ihrer Arbeit. Der Mann, der mir das alles
sagte, erinnerte sich an einen jungen Deutschen, der Anfang der Siebziger
einmal mit ein paar CIA-Leuten im Iran war. Er gehörte zum zweiten Typus.
Besonderes Vergnügen bereitete ihm ganz offensichtlich das Foltern von
attraktiven Frauen. Und er erzählte gerne von den Nutten auf der Reeperbahn.«
»Wissen Sie einen Namen?«, fragte Christian.
Mohsen schüttelte den Kopf: »Ich habe Ihnen alles berichtet. Ob das
was mit diesem Mädchen, Uta Berger, zu tun hat â¦Â« Mohsens Stimme zitterte.
Anscheinend saÃen ihm neben den Erlebnissen im Iran auch noch die Bilder seiner
letzten Obduktion in Hamburg im Gewebe. »Da glaube ich selbst nicht dran. Das
ist alles viel zu lange her. Andere Zeit, anderer Ort. Trotzdem ⦠ich ⦠ich ⦠Das
alles wird mich nie wieder loslassen.«
Frau Hamidi legte ihrem Sohn beruhigend die Hand auf die Schulter.
»Darf ich Sie fragen, warum eine Fatwa gegen Sie besteht?«,
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