Eisenhand
wollte sie fragen: »Klinge oder Gift?« , aber dann wandte sie sich an Helena und sagte: »Wenigstens kümmert er sich um Sie.« Helena hob die Brauen, die zu anmutigen Halbmonden gezupft und mit ziemlicher Sicherheit gefärbt waren, allerdings sehr dezent und mit höchst sehenswertem Ergebnis. Claudia Sacrata zischte: »Wenn ich weiter so neugierig bin, wird er mich aufspießen und an die Decke nageln!«
Helena gab ihr eine Vorstellung davon, wie eine wohlerzogene Frau es anstellt, Unangenehmes einfach zu ignorieren. »Claudia Sacrata, wie ich höre, sind Sie eine Säule der ubischen Gesellschaft? Marcus Didius erzählte mir, Sie seien seine einzige Hoffnung bei der Suche nach Civilis.«
»Aber ich konnte ihm leider nicht helfen, meine Liebe.« Um Helenas willen bedauerte Claudia das jetzt sogar. Vor ihr hätte sie sich gern als Wohltäterin aufgespielt. »Wenn einer gewußt hätte, wo Civilis steckt, dann der Sohn meiner Schwester, Julius Briganticus. Der hat seinen Onkel zwar gehaßt und immer treu zu Rom gehalten, aber durch den Kontakt zur Familie wußte er doch immer, wo Civilis steckte.«
»Könnte Falco sich mit diesem Neffen in Verbindung setzen?«
»Er ist gefallen – er war mit Cerialis oben im Norden.«
Helena ließ nicht locker. »Und was ist mit der übrigen Familie?«
Claudia Sacrata hatte offenbar einen Narren an ihr gefressen. Jedenfalls wartete sie jetzt geflissentlich mit Informationen auf, die sie mir eisern verweigert hatte. »Ach, wissen Sie, Civilis hatte einen Haufen Verwandte – seine Frau, etliche Schwestern, eine Tochter, einen Sohn, eine ganze Brut von Neffen …« Langsam beschlich mich das Gefühl, dieser Civilis müsse ein sympathischer Mensch sein. Die Bataverfamilie, die er am Hals hatte, schien genauso schrecklich wie meine eigene: zu viele Frauen, und die Männer haben sich gegenseitig an der Gurgel. »Aber die werden nicht mit Ihnen sprechen«, fuhr Claudia fort. Auch das klang ganz nach meiner Familie. »Die meisten waren glühende Unterstützer des freien gallischen Reiches. Civilis hat seine Frau und die Schwestern manchmal sogar mit an die Front genommen; und seine Offiziere haben das mit ihren Familien auch gemacht – ganz wie die Krieger in früheren Zeiten.«
»Um mit ihnen zu picknicken?« frotzelte ich.
»Damit Frauen und Kinder sie in der Schlacht anfeuern konnten, mein Lieber.«
»Und sie am Schlappmachen hindern!« fuhr Helena dazwischen. Ich konnte sie mir gut auf einem Planwagen hinter den Kampflinien vorstellen, wie sie mit ihren feurigen Tiraden den Feind das Fürchten lehrte und das unfähige Mannsvolk auf der eigenen Seite anfeuerte. »Gut, Claudia, aber wenn sie nicht als Speerfutter mißbraucht werden, dann wohnen sie doch vielleicht hier in der Gegend?«
»Jetzt nicht mehr. Früher, ja, da haben Civilis und die anderen Rädelsführer sich sogar in ihren Häusern zu konspirativen Gesprächen getroffen. Aber das war noch zu der Zeit, als Colonia sich nachdrücklich von dem Aufstand distanzierte. Heute läßt sich keiner von seinem Klan mehr hier blicken. Da ist zuviel Bitterkeit auf beiden Seiten. Civilis hat die Ubier von Nachbarstämmen ausrauben lassen; seine Freunde, die Treverer, belagerten Colonia; und man weiß, daß er drauf und dran war, auch unsere Stadt plündern zu lassen.«
»Aber wohin würde er sich dann wenden?« überlegte Helena laut. »Wenn er sich in der Gegend verstecken will, die ihm so vertraut ist, aber nicht den Ubiern über den Weg laufen darf, weil die ihn sofort an Rom ausliefern würden?«
»Ich weiß es nicht … Vielleicht bei den Lingonen, aber wohl eher bei den Treverern. Denn der Lingonenführer …« Claudia gluckste plötzlich vergnügt. »Also, das ist eine lustige Geschichte. Der Mann heißt Julius Sabinus und ist ein furchtbarer Aufschneider, aber natürlich ist alles gelogen. Er hat sogar mal behauptet, seine Urgroßmutter, angeblich eine richtige Schönheit, hätte Julius Cäsar verführt.«
»Das ist nichts Besonderes«, murmelte ich.
»Was sagen Sie, mein Lieber?«
»Den haben noch ganz andere verführt!«
»Aber Marcus Didius! Na, jedenfalls hat Sabinus wer weiß wie angegeben, aber so wie Cerialis auftauchte, da fuhr ihm der heilige Schrecken in die Glieder. Er steckte seinen Hof in Brand und richtete alles so ein, daß es aussah, als habe er Selbstmord begangen. In Wirklichkeit ist er natürlich untergetaucht; seine Frau Eponnina hält ihn versteckt. Alle wissen das, aber wir sprechen nicht
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