EISENHEIM: THRILLER: Erstes Buch (German Edition)
an dem er auf der Lauer lag, Forester Geheimnis lüften zu können. Doch brauchte er nur dessen Nähe zu spüren, denn das alleine heizte bereits sein eigenes Gemüt für denkbare Möglichkeiten an. Heizte ihn an, in der Nähe eines Geheimnisses zu verharren, das es zu offenbaren galt. Und so stieg auch ein anderes Verlangen auf, dem er sich heute schlichtweg erliegen sah. Es würde ihm helfen, redete er sich ein. Es würde ihm helfen, seine eigene Haut zu verlassen, um Fakten auf einer ganz anderen Ebene zu sammeln. Eisenheim kannte auch den Namen dieser Ebene. Der Name dieser Ebene war Freiheit.
Eisenheim zog ein kleines Tütchen mit weißem Pulver unter seinem Sitz hervor. Rollte dann einen Zehndollarschein zu einem kleinen Röhrchen zusammen, steckte das eine Ende in die Tüte und das andere in seinen rechten Nasenflügel.
Er inhalierte zweimal kräftig durch die Naseflügel, dann war das Tütchen leer. Eisenheim spürte es endlich wieder. Diese Freiheit, losgelöst von körperlichen Beschränkungen. Wieder konnte er dem geistigen Weg in eine imaginäre Welt folgen, in der ihm Antworten und Fakten so vieler Fragen zur Verfügung standen. Und Eisenheim glaubte dabei wirklich, seinen Körper verlassen zu können.
„Danke Danny!“, flüsterte er benommen.
Forester
Samstag, 1. Juni 1985
Forester erwachte an diesem Samstag, dem ersten Juni, im tiefen Glauben, dass er heute einen großen Schritt weiterkommen würde.
Er war geradezu überwältigt davon, doch mahnte er sich zur Vernunft und steuerte dem Rausch der Glückseligkeit sogleich entgegen. Nur zur gut kannte er die verantwortliche Quelle diese s übertriebenen Optimismus: Es war Erics Gegenwart! Das Gefühl, wieder so etwas wie eine kleine Familie zu sein. Eric übernachtete nicht oft hier bei ihm. In den vergangenen Jahren war es eher so gewesen, dass er es sich in Erics Wohnung in Washington bequem gemacht hatte. Eric hatte eine größere Wohnung, und somit hatte er das sonst leerstehende Gästezimmer in Beschlag genommen. Aber diese gegenseitigen Besuche hinterließen bei Forester immer wieder auch tiefgreifende Gedanken an seine Eltern.
Eric und er haben bis weit in ihre aktive Zeit als Soldaten hinein unter einem Dach, gemeinsam mit ihrem Vater Ben und Erics leiblicher Mutter – seiner Stiefmutter – gelebt. Foresters leibliche Mutter Ann war ein Jahr nach seiner Geburt an Krebs erkrankt und kurze Zeit darauf verstorben. Seine Stiefmutter Lauren, die Foresters Vater aber nie geheiratet hatte, starb vor acht Jahren gemeinsam mit ihrem Vater Ben bei einem Verkehrsunfall. Ein Betrunkener hatte ihren Weg gekreuzt und beide auf der Stelle getötet.
Die kurze Zeit, die sie dennoch zusammen verbracht hatten, trug Forester ausnahmslos in Bildern mit sich spazieren. Und sie waren angereichert von großen Gefühlen. Forester empfand sie immer noch als sehr warm und reich. Nur jemand wie Eric war daher auch fähig, alleine durch seine Gegenwart diese Bilder in Forester hervorzuzaubern und sie in seinem Kopf wieder mit Leben und Wärme zu füllen.
Verschwand sein Bruder wieder aus seiner Welt, blieb für kurze Zeit eine tiefe Kluft übrig, die Forester schwer zu füllen wusste. Sein Vater fehlte ihm sehr. Wie sehr wurde ihm dann in diesen Minuten immer wieder bewusst.
Ben war ein geborener Verschwörungstheoretiker gewesen, der immer und überall hinter die Fassaden zu blicken versucht hatte. Einer seiner Kernsätze war gewesen, dass sich hinter jeder Lüge immer auch ein Fünkchen Wahrheit verbarg.
Mit diesen Augen hatte Ben seine Söhne Filme schauen lassen und – ganz gleich, welche Story ihnen im Kino aufgetischt worden war – sein Vater hatte mit ihnen immer zu analysieren versucht, wo die Wahrheit in diesen Geschichten verborgen war.
Bei einem Fall wie der Entführung von Hanaa Cline wäre er richtig aufgeblüht.
Forester besann sich für Minuten auf seinen Vater. Die Erfahrung hatte ihm gelehrt, dass manchmal auch Arbeit half, um diese tiefe Kluft zu schließen. Forester erhob sich und sah zum Küchenfenster hinaus: Eisenheims Dodge war verschwunden. Dann fiel ihm wieder Eric ein. Er hatte es doch tatsächlich versäumt, Eric zu fragen, was er hier in Boston trieb.
Aus dem Radio drang leise „Don‘t you“ von den Simple Minds, als Forester seinen Chevy an diesem freundlichen Morgen in Gang setzte. Er hätte diese Strecke auch laufen können. Der Franklin Park befand sich sozusagen gleich hinter seinem Haus. Doch schien Forester wichtig
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