Eisenherz - Förg, N: Eisenherz
machen zu lassen. Gerhard war sich sicher, dass Lepaysan auch den Bürgermeister erpresst hatte. Und der hatte dann wahrlich allen Grund, den Fotografen loswerden zu wollen. Gerhard war sich auch sicher, dass ein Gespräch mit Annemirl Tafertshofer wenig bringen würde, aber versuchen mussten sie es. Vielleicht hatte sie ja einen lichten Moment. Gerhard machte einen Schritt auf das Haus zu und sah Baier an.
»Gehen Sie rein, Weinzirl! Gehen Sie. Ich setz mich auf das Haus-Bankerl. Zu viele Leute verunsichern die Frau Tafertshofer nur.«
Baier ließ sich ächzend auf der Bank nieder, die zurückächzte.
Eine Tür, deren zerbrochene Glasscheibe mit einem Rupfensack zugehängt war, führte direkt in die winzige Küche. Vor dem Herd lag noch so ein Rupfensack, steif wie eine Eisenplatte, durchtränkt von Dreck, Küchenabfällen, Rauch der Jahrzehnte und anderem, worüber Gerhard nicht nachdenken wollte. Der Geruch war wirklich atemberaubend! Was auch daran liegen mochte, dass die Tür zum Stall offen stand und eine weitere zum Klo. Millionen von Fliegen, nein Abermillionen tanzten über der vergilbten Schüssel. Im kleinen Kammerl zwischen Küche und Klo hing G’räucherts an einem riesigen rostigen Fleischerhaken.
Links vom Herd saß Annemirl Tafertshofer. Sie lächelte Gerhard an, der kurz davor war, sich zu übergeben. Wegen des Geruchs, mehr noch wegen des Blicks der Frau. Sie schien zu erfassen, dass etwas nicht stimmte, griffelte am Tisch herum, nahm etwas auf und setzte es in ihr Auge. Ihr Glasauge. Gerhard verfluchte Baier im Stillen. Der alte Fuchs hatte sicher gewusst, was ihn hier erwartete.
»’tschuldigung!«, murmelte sie und mit einem weiteren »’tschuldigung« griff sie zum Stuhl neben sich und befestigte ihre Beinprothese am Stumpf, der etwa in der Mitte des Oberschenkels endete. »’tschuldigung, i hob amoi an Unfoi ghabt mit am Mahboikn. Als jungs Dearndl.«
»Oma, des is der Herr Weinzirl von der Polizei. Der möcht di wos froagn.« Simmerl lächelte seine Oma an und schob Gerhard einen Stuhl hin. Ihm grauste, sich zu setzen. Das Polster hatte eine ähnliche Konsistenz wie der Rupfensack vor dem Herd.
»Liebe Frau Tafertshofer, hat Ihnen der Bürgermeister denn die fünfzigtausend Euro gegeben?«, fragte Gerhard, der ganz knapp auf der Stuhlkante klemmte.
»Jetzt froagn Sie a no! I woas des doch ned.«
»Frau Tafertshofer, wo hat denn Ihr Ziegenbock seinen Platz?«
»Der Theo?«
»Der Theo.«
»Ja im Stoi hoit.«
»Dann gehen wir da jetzt mal hin.« Gerhard war heilfroh, sich erheben zu können.
Simmerl Tafertshofer schaute keinen Deut schlauer als seine Oma, aber er half ihr auf und stützte sie. Sie gingen in den kleinen Stall, der längst als Kuhstall ausgedient hatte. Die alten Eisen-Anbindestangen waren noch da, sogar die Bändel, um die Kuhschwänze hochzubinden. Einige Namensschilder baumelten, gerade noch von einem Nagel gehalten, über den Stellplätzen. Der Stall war jetzt so eine Art Abenteuerspielplatz für drei braune Ziegen und den kohlrabenschwarzen Bock, der sich eindeutig als Urheber des bestialischen Gestanks erwies. Gerhard kämpfte mit der nächsten Übelkeitswelle und hoffte darauf, dass sich der Geruchssinn bald gnädig adaptieren möge. Theo thronte auf einer Holzkiste, er hielt Hof. Genau diese Szene zeigte das Bild von Lepaysan.
Gerhard lächelte gegen das Würgen an. »Frau Tafertshofer. Würden Sie mal zu Theo gehen.«
Sie nickte und hinkte hinüber.
»So, genau an der Stelle hat Ihnen der Bürgermeister das Geld übergeben.«
Simmerl Tafertshofer wollte etwas sagen, aber Gerhard stoppte ihn mit einer unwirschen Handbewegung: »Maul!« Tafertshofer erstarrte. Manchmal war es gut, die knappe Sprache des Landes zu sprechen.
Annemirl überlegte. Plötzlich kam ein Lächeln über ihre Lippen. »Ja, des war 1948.«
»Oma, des war die Währungsreform. Da hast Reichsmark gegn Bank Deutscher Länder austauscht.« Tafertshofer schaute unglücklich.
Mist! Gerhard machte tapfer weiter. »Denken Sie nochmals nach. Sie standen da, wo Sie jetzt stehen. Der Theo war auf der Kiste. Ach ja, der obere Teil der Stalltür war offen.« Gerhard ging hin und stieß sie auf. Mit dem Luftzug kam noch mehr Theo, der seine Nase umwehte. Annemirl Tafertshofer schaute Gerhard bedächtig an, dann die Tür, dann Theo. Es war still, bis Theo ein sattes »Mäh« vernehmen ließ. Da haute sich das Annemirl auf den Oberschenkel. »I woas. I woas. Kemmts Burschn.«
Sie hinkte zur
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