Eisenherz - Förg, N: Eisenherz
in sich hinein. Irgendwie hatte er Recht, der Schmoll. Leider betraf ihn das nicht. Morduntersuchungen kannten weder Feier- noch Brückentage.
»Herr Schmoll, wenn Ihnen noch was einfällt, melden Sie sich. Und Sie bleiben dabei, nur am Sonntag in der Halle gewesen zu sein?«
»Natürlich!«
Als sie draußen waren, fragte Gerhard: »Glauben Sie ihm?«
»Ich glaube von Haus aus nichts mehr«, sagte Baier, und das klang in Gerhards Ohren düsterer als nötig. »Also weiter, Weinzirl, zu Annemirl Tafertshofer.«
Es hatte gerade mal wieder aufgehört zu regnen, und die Fahrt nach Süden besänftigte Gerhards Herz. Immer wenn er den trutzigen Klosterkomplex von Polling vor den Bergen aufragen sah, dann hatte er das Gefühl, hier richtig zu sein. In einer Landschaft, die seine Seele berührte. Und das war schon was!
Als sie in Huglfing an der Bahnschranke zum Stehen kamen, brummte Baier: »Immer wenn ich Sie im Auto hab, geht die Schranke zu.«
Gerhard grinste. »Darf ich Sie zur Entschädigung auf ein Weißbier einladen? Leids zeitlich eins?«
»Ein Leichtes leids.«
Als sie in der Moosmühle die Stube betraten, konnte sich Baier mal wieder nicht verkneifen die neue »Rezeption« anzugiften. »Jetzt machens auf Grand Hotel.« Da niemand zu sehen war, galt die Rede tatsächlich dem neuen kleinen Rondell, wo ein Computer stand und wo die Zimmerschlüssel hingen. Jede Veränderung störte den Traditionalisten. Genauso wie er sich stets über die neu gestaltete Karte mokierte, auf der neben Vegetarischem sogar ein Chai-Tee stand. »Wir sind doch nicht beim Thai.« Nur gegen die Bedienung wetterte er nie. Die war nun eindeutig auch keine Bayerin, sondern ein Import aus der Slowakei, aber sie galt Baier alles. »Nettes Madel.« Das nette Madel brachte die beiden Leichten, sie stießen an, natürlich mit dem Sockel, wie sich das beim Weißbier gehört, tippten das Glas kurz auf dem Tisch auf und tranken. Und taten dann das, wofür Gerhard Baier am meisten liebte. Sie schwiegen. Mit Baier konnte man herrlich schweigen.
Nach zwanzig Minuten brachen sie wieder auf zu ihrem Ziel. Der Putz an dem alten Bauernhaus war nicht mehr Deutschlands neuester. Der gesamte Sockelteil warf ungesunde Blattern und war teils zu Boden gerieselt. Der obere Teil des Hauses bestand aus verwittertem Tuffstein. Die Fensterläden waren im Laufe ihrer Karriere wohl schon mal blau, braun und grün gewesen. Rundherum türmten sich Schrottteile, zwei alte verrostete Bulldogs gammelten vor sich hin. Hühner rannten umher, selbst der Hahn hatte zerrupfte Schwanzfedern – irgendwie passend zum Ambiente.
Das Haus lag inmitten eines Obstgartens, der in eine abschüssige Wiese überging. Weit unten ringelte sich ein kleiner Bach. Gut dreitausend Quadratmeter, schätzte Gerhard. Eine Traumlage, erhaben über Neubaugebieten – und Teil des Bauerwartungslandes.
Ein Kangoo hielt vor dem Haus. Der Mann, der ausstieg, war gelbblond, hatte eine rote Gesichtsfarbe und fast keine Augenbrauen. Er war kräftig und kam mit einem offenen Lächeln auf Baier und Gerhard zu.
»Tafertshofer, Simmerl. Grüß Gott! Dad se jetz endlich de Polizei fir de Sauerei intressieren?«
»Welche Sauerei?«
»Ja Herrschaft, mit der Oma ihrm Haus.«
»Herr Tafertshofer. Wir haben der Lokalpresse entnommen – nicht zuletzt Ihren Leserbriefen …«
»’kürzt homs. Ois ‘kürzt homs. De vom Tagblatt do drin!«, unterbrach ihn Simmerl Tafertshofer. »De deana doch nix! Scho öfters war i drin, und nix homs unternomma.«
Gerhard grinste. Na, die hatten sich sicher gefreut.
»Also, aus Ihren gekürzten Leserbriefen wissen wir, dass Sie den Eindruck hatten …«
»Eindruck! Schmarrn! A Sauerei is des.«
»… den Eindruck hatten, der Bürgermeister …«
»Der oide Krautleffe! Der kehrt ned do her. Und dann werd so oaner Bürgermoaster. Sie san ja a ned vo do? Sie san ja a Schwob.« Er lächelte Gerhard an, nicht unfreundlich, eher stolz, das sofort erkannt zu haben.
»Er ist nicht von hier. Ist Allgäuer. Weiß das nicht mit den Krautlöffeln«, sagte Baier, und zu Gerhard gewandt: »Schauens, Weinzirl. Die Wolfratshausner, die haben früher im Herbst Kraut nach München geflößt. Die Tölzer, denen hat das aus Konkurrenzgründen nicht gefallen, und haben die Wolfratshausner als Krautlöffel bezeichnet, weil sie’s Kraut mit dem Löffel fressen.«
»Ja, und genau des machens ja no bis heit! Der a. Und in de Bierzoitl immer neberm Landrat. Solchene fliagn immer auf d
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