Eisfieber - Roman
kam es ihm inzwischen wie ein Erlebnis aus längst vergangenen Zeiten vor.
Lukes Ford Mondeo stand auch in der Garage. Dafür fehlte der Toyota Land Cruiser. Den musste Luke sich am Abend für die Heimfahrt ausgeborgt haben.
Craig ging zum Ferrari und zog am Türgriff. Die Tür ging nicht auf. Er versuchte es noch einmal, doch die Tür war abgeschlossen. »Scheiße«, sagte er mit viel Gefühl.
»Was ist los?«, fragte Sophie.
»Der Wagen ist abgesperrt.«
»O nein!«
Craig spähte ins Fahrzeuginnere. »Und die Schlüssel sind auch weg.«
»Wie ist das passiert?«
Frustriert schlug Craig mit der Faust aufs Wagendach. »Luke muss gestern Abend, als er heimfahren wollte, gesehen habe, dass der Wagen nicht abgesperrt war. Er hat dann den Schlüssel aus der Zündung gezogen, den Wagen abgeschlossen und die Schlüssel ins Haus gebracht.«
»Was ist mit dem anderen Wagen?«
Craig öffnete die Tür des Mondeo. »Kein Telefon!«
»Kommen wir irgendwie an die Ferrari-Schlüssel ran?«
Craig verzog das Gesicht. »Möglich ist alles.«
»Wo werden sie denn aufbewahrt?«
»Im Schlüsselkasten, und der hängt in der Stiefelkammer an der Wand.«
»Gleich hinter der Küche?«
Craig nickte mit grimmiger Miene. »Keine zwei Meter entfernt von diesen Kerlen mit ihren Schießeisen.«
06.45 Uhr
Es war immer noch dunkel, und der Schneepflug kam auf der zweispurigen Landstraße nur sehr langsam voran. Carl Osbornes Jaguar folgte dichtauf. Am Steuer saß Toni, die stur geradeaus sah, während die Scheibenwischer alle Mühe hatten, mit dem dicht fallenden Schnee fertig zu werden. Die Szenerie blieb immer die gleiche: Dicht vor ihnen blinkten die großen Warnlampen des Schneepflugs, am nahen linken Straßenrand wölbte sich ein Streifen frisch geräumten Schnees, während die Gegenfahrbahn und die angrenzende Heide- und Moorlandschaft, so weit die Scheinwerferkegel reichten, unter einer dicken weißen Decke unberührten Neuschnees lagen.
Tonis Mutter saß mit dem Welpen auf dem Schoß auf dem Rücksitz und schlief. Auch Carl Osborne auf dem Beifahrersitz verhielt sich still – entweder döste er vor sich hin, oder er war beleidigt. Obwohl er Toni gesagt hatte, dass er es hasse, andere Leute ans Steuer seines Wagens zu lassen, hatte er, als sie darauf bestand, selbst zu fahren, nachgeben müssen, denn sie hatte die Schlüssel.
»Dass du mal klein beigibst, kommt wohl nie vor, oder?«, hatte er gemault, bevor er in dumpfes Schweigen versunken war.
»Deshalb war ich eine so gute Polizistin«, hatte sie erwidert.
»Deshalb hast du keinen Ehemann«, hatte Mutter von hinten eingeworfen.
Seitdem war schon über eine Stunde vergangen, und inzwischen fiel es Toni schwer, wach zu bleiben. Das hypnotische Hin und Her der Scheibenwischer, die Wärme der Heizung und der eintönige Ausblick wirkten wie ein Schlafmittel. Fast bereute sie es, dass sie Osborne nicht hatte fahren lassen – aber sie musste unbedingt das Heft in der Hand behalten.
Beim Dew Drop Motel hatten sie den Fluchtwagen gefunden. Perücken, falsche Schnurrbärte und Brillen mit Fensterglas hatten die Gangster darin zurückgelassen, aber es fehlte jeder Hinweis darauf, in welche Richtung sie sich abgesetzt hatten. Der Streifenwagen war dort geblieben, und Vincent, der junge Angestellte, mit dem Toni telefoniert hatte, wurde von den Beamten vernommen. Der Schneepflug fuhr auf Frank Hacketts Anweisung weiter Richtung Norden.
In diesem Punkt waren sich Toni und Frank ausnahmsweise einmal einig gewesen. Es lag in der Natur der Dinge, dass die Bande das Auto an einem Ort gewechselt hatte, der ohnehin auf ihrem Weg lag. Ein Umweg hätte ihre Flucht nur überflüssig verzögert. Gewiss, es bestand natürlich auch die Möglichkeit, dass sie die Gedanken der Polizei vorausahnten und von daher absichtlich einen Ort wählten, der ihre Verfolger in die Irre führte. Doch nach Tonis Erfahrung dachten Verbrecher nicht so kompliziert. Hatten sie erst einmal ihre Beute in der Hand, dann galt bei ihnen nur noch die Devise: Nichts wie weg.
Der Schneepflug hielt nicht an, wenn er an parkenden oder liegen gebliebenen Fahrzeugen vorbeikam. In der Fahrerkabine saßen zwei Polizeibeamte, die, da sie im Gegensatz zu den Gangstern nicht bewaffnet waren, die strikte Anweisung hatten, ausschließlich zu beobachten. Manche Autos waren von ihren Fahrern stehen gelassen worden, in anderen saßen ein oder zwei Passagiere. Drei Männer und eine Frau waren aber
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