Eisfieber - Roman
können.«
Miranda sah Ned an. Auch er war entsetzt. »Stimmt das?«, fragte er.
Miranda antwortete nicht.
Olga drehte sich zu Hugo um. »Du und meine Schwester?«
Er versuchte es mit seinem Lausbubengrinsen, worauf Olga ausholte und ihm ins Gesicht schlug. Es klang hart, eher nach Boxhieb als Ohrfeige. »Au!«, schrie er und zuckte heftig zurück.
»Du lausiger, verlogener …« Olga rang nach Worten. »Du Wurm! Du Schwein! Du Schweinehund! Du Scheißkerl …« Und dann ging sie auf Miranda los. »Du auch!«
Miranda wagte es nicht, sie anzusehen. Sie starrte auf die Tischplatte. Direkt vor ihr stand eine kleine Kaffeetasse aus feinem weißen Porzellan mit einem blauen Streifen; sie gehörte zu Mamma Martas Lieblingsservice.
»Wie konntest du?«, röhrte Olga. »Wie konntest du nur?«
Miranda würde versuchen, es ihr zu erklären. Irgendwann einmal. Doch alles, was sie jetzt sagen könnte, klänge unweigerlich nach Ausrede. Also schüttelte sie nur den Kopf.
Olga stand auf und verließ den Raum.
Hugo sah ihr dümmlich nach. »Ich glaube, es ist besser, ich …«, sagte er und folgte ihr.
Stanley bemerkte erst jetzt, dass Lori noch immer neben dem Tisch stand und ihr kein Wort entging. Arg verspätet sagte er zu ihr: »Lori, Sie helfen Luke jetzt besser in der Küche.«
Sie fuhr hoch, als habe man sie aufgeweckt. »Jawohl, Professor Oxenford.«
Stanley wandte sich an Kit: »Das war ein starkes Stück.« Seine Stimme zitterte vor Wut.
»Ja? Ach so, ja, ich bin schuld …«, murrte Kit. »Hab ich vielleicht mit Hugo geschlafen, he?« Er schmiss seine Serviette auf den Tisch und stapfte hinaus.
Ned saß da wie vom Donner gerührt. »Ähem …«, sagte er. »Entschuldigen Sie mich bitte.« Mit diesen Worten verschwand auch er.
Zurück blieben nur Miranda und ihr Vater. Stanley stand auf, ging zu ihr und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Sie werden sich alle irgendwann beruhigen«, sagte er. »Es ist schlimm, aber es geht vorüber.«
Sie drehte sich zu ihm und presste ihr Gesicht in den weichen Stoff seiner Weste. »O Daddy, es tut mir ja so Leid«, sagte sie und begann zu weinen.
21.30 Uhr
Das Wetter wurde immer schlimmer. Schon die Hinfahrt zum Altersheim hatte sich in die Länge gezogen, doch die Rückfahrt ging noch langsamer vonstatten. Die dünne, von Autoreifen festgefahrene Schneeschicht auf der Straße hatte sich nicht in Schneematsch verwandelt, sondern war gefroren. Ängstliche Fahrer schlichen nur noch im Schritttempo dahin und hielten alle anderen auf. Tonis roter Porsche Boxster war zwar das richtige Fahrzeug, um Schleicher zu überholen, aber die rutschigen Straßenverhältnisse waren nicht unbedingt sein Metier, und so konnte Toni nicht viel tun, um schneller ans Ziel zu kommen.
Ihre Mutter saß zufrieden auf dem Beifahrersitz. Sie trug einen grünen Wollmantel und einen Filzhut und war Bella nicht im Geringsten böse. Toni ärgerte das ein wenig, und sie schämte sich dieses Gefühls. In ihrem tiefsten Inneren wünschte sie sich, Mutter wäre ebenso wütend auf Bella, wie sie, Toni, es war. Es wäre ihr eine Genugtuung gewesen. Mutter aber schien zu glauben, Toni habe sie so lange warten lassen.
»Bist du dir eigentlich darüber im Klaren, dass Bella dich schon vor ein paar Stunden hätte abholen sollen?«, hatte sie sie leicht verärgert gefragt.
»Aber ja doch, mein Kind, aber deine Schwester hat eben eine Familie, um die sie sich kümmern muss.«
»Und ich habe einen verantwortungsvollen Job.«
»Ich weiß, ich weiß, dein Kinderersatz.«
»Also darf Bella dich versetzen, ich aber nicht?«
»So ist es, mein Kind.«
Toni versuchte, dem Beispiel ihrer Mutter zu folgen und alles großherzig zu verzeihen. Aber immer wieder musste sie an ihre Freunde im Hotel denken, die im Jacuzzi saßen, sich mit Wortspielereien vergnügten oder vor einem großen Kaminfeuer Kaffee tranken. Charles und Damien würden ihr Schwulsein immer ulkiger zur Schau stellen, je weiter der Abend voranschritt und je mehr sie sich entspannten. Michael würde Geschichten von seiner Mutter erzählen, einem irischen Feuerkopf von geradezu legendärem Ruhm in ihrer Heimatstadt Liverpool, und Bonnie würde Anekdoten aus Studententagen zum Besten geben, über die unmöglichen Situationen, die sich immer wieder daraus ergeben hatten, dass sie und Toni die einzigen weiblichen Wesen an einer Fakultät für Maschinenbau mit dreihundert Studenten waren.
Alle amüsieren sie sich
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