Eisfieber - Roman
hübscher Name.«
Sie sah den Welpen an. Es war ein Englischer Schäferhund, weiß mit grauen Flecken und ungefähr acht Wochen alt. Sie konnte ihn gerade noch in einer Hand halten. Das Tier leckte sie mit rauer Zunge und warf ihr einen flehentlichen Blick zu. Es kostete Toni Überwindung, ihn nicht zu behalten.
Sie ging zu Carls Wagen und setzte das Tier vorsichtig auf den Beifahrersitz. »Denk dir selber einen Namen für ihn aus«, sagte sie. »Ich hab genug anderes zu tun.«
Carl wirkte enttäuscht. »Überleg’s dir noch mal«, sagte er. »Ich ruf dich morgen wieder an.«
Toni kehrte zu ihrem Wagen zurück. »Nein, lass das bitte bleiben.« Sie legte den ersten Gang ein.
»Du bist ein hartherziges Weib«, sagte er, als Toni anfuhr.
Aus irgendeinem Grund traf sie die Stichelei bis ins Mark. Ich bin nicht hartherzig, dachte sie, während ihr völlig unerwartet Tränen in die Augen stiegen. Ich musste mit dem Tod von Michael Ross fertig werden, ein tollwütiges Reporterrudel abwimmeln und mich von Kit Oxenford beschimpfen lassen. Meine Schwester hat mich im Stich gelassen, und ich habe einen Urlaub absagen müssen, auf den ich mich unheimlich gefreut hatte. Ich trage die Verantwortung für mich selbst, für meine Mutter und für den Kreml – da kann ich nicht plötzlich noch einen jungen Hund übernehmen, basta.
Dann dachte sie an Stanley und merkte auf einmal, dass ihr Carl Osbornes Gerede wirklich vollkommen egal war.
Sie rieb sich mit dem Handrücken die Augen, starrte durch die Windschutzscheibe in die wirbelnden Schneeflocken, ließ das viktorianische Sträßchen, in dem sie wohnte, hinter sich und steuerte die Ausfallstraße an.
»Carl scheint recht nett zu sein«, sagte Mutter.
»Ist er aber nicht, Mutter, wirklich nicht. Man kann ihm nicht trauen, und oberflächlich ist er auch.«
»Niemand ist perfekt. Und so viele freie Männer gibt es in deinem Alter nicht mehr.«
»Praktisch keinen.«
»Du willst doch nicht bis an dein Lebensende allein bleiben.«
Toni unterdrückte ein Lächeln. »Nein, irgendwie hab ich das Gefühl, dass ich nicht allein bleiben werde.«
Als sie das Stadtzentrum hinter sich ließen, nahm der Verkehr rasch ab, und bald war die Straße wieder voller Schnee. Toni manövrierte sich vorsichtig durch eine Serie von Kreisverkehren, als ihr auffiel, dass ihnen ein Wagen folgte. Im Rückspiegel erkannte sie den hellen Jaguar.
Carl Osborne fuhr ihr nach.
Kurz entschlossen hielt sie am Straßenrand an, und Carl stoppte unmittelbar hinter ihr.
Sie stieg aus und trat an sein Fenster. »Was soll das?«, fragte sie.
»Ich bin Reporter, Toni«, sagte er. »Es ist Heiligabend und schon beinahe Mitternacht. Du kümmerst dich um deine alte Mutter – und trotzdem sieht es so aus, als wärst du zum Kreml unterwegs. Ich wittere eine Story.«
»Au, Scheiße«, sagte Toni.
Mitternacht
Mit seinen von Schneeflocken umwirbelten, in Flutlicht getauchten Dächern und Türmchen erinnerte der Kreml an ein Märchenschloss. Während der Lieferwagen mit dem Schriftzug Hibernian Telecom auf den Längsseiten auf das Haupttor zurollte, sah sich Kit einen Moment lang in der Rolle des schwarzen Ritters, der auf seinem Ross herbeisprengt, um die Festung zu belagern.
Er war heilfroh, dass sie endlich ankamen. Das Tief wuchs sich, allen Vorhersagen zum Trotz, mehr und mehr zu einem regelrechten Blizzard aus. Die Fahrt vom Flugplatz zum Kreml hatte viel länger gedauert als erwartet, und die Verspätung bereitete Kit Sorgen. Mit jeder zusätzlichen Minute, die verstrich, stieg die Gefahr neuer Risiken für seinen ausgefeilten Plan.
Es war vor allem Toni Gallos Anruf, der ihn beunruhigte. Er hatte sie zu Steve Tremlett durchgestellt, weil er befürchtete, sie könne, wenn er ihr eine falsche Nachricht vorspielte, direkt zum Kreml fahren, um herauszufinden, was dort vor sich ging. Doch nachdem er das Gespräch mitgehört hatte, musste er davon ausgehen, dass Toni auf jeden Fall kommen würde. Was für ein elendes Pech, dachte er. Wieso tummelt sie sich nicht in diesem Wellness-Hotel achtzig Kilometer von hier, sondern hält sich ausgerechnet in Inverburn auf?
Die erste der beiden Schranken ging hoch. Elton fuhr hindurch und stoppte vor dem Pförtnerhaus, das, wie Hamish Kit berichtet hatte, mit zwei Wachen besetzt war. Elton drehte das Seitenfenster herunter. Einer der Wächter beugte sich hinaus und sagte: »’n Abend, Jungs.«
Kit kannte den Mann nicht, aber seinem
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