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Eisige Versuchung

Eisige Versuchung

Titel: Eisige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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von den Frauen, die immer zu mir stricken kommen, sie ist noch grauer als ich, eigentlich richtig weiß, und hat sich die Haare lila gefärbt, kannst du dir das vorstellen, scheußlicher geht es kaum – meinte, er wäre schön wie ein Engel.«
    Shade verschluckte sich an ihrer eigenen Spucke und hustete sich eine geschlagene Minute die Seele aus dem Leib. Nachdem sie sich wieder gefangen hatte, leuchtete ihr Gesicht erst recht wie eine überreife Tomate. Hoffentlich hatte diese Cecilia nicht beobachtet, wie Roque zu Bills Balkon geflogen war!
    »An dein Augenbrauenpiercing werde ich mich nie gewöhnen. Und jetzt auch noch die rötlichen Haare, die vom Kopf abstehen, als hättest du in eine Steckdose gepackt! Du siehst ja aus wie ein Punk!«
    »Sei froh, dass ich mir meine Augäpfel nicht blau tätowieren lasse!«
    »Gott bewahre! Das habe ich schon bei Oprah gesehen. Sie hatte mal einen jungen Mann zu Gast in ihrer Show. Ist ja auch egal. Ich werde mich nie wieder über dein Aussehen beschweren.« Maud nahm ihr die Jacke ab und hängte sie an die Garderobe. »Was wolltet ihr im Krankenhaus? Ich hoffe, es geht dir gut.«
    »Wir haben nur jemanden besucht.« Shades Stimme klang vom Husten kratzig. Sie räusperte sich mehrmals. Im Nebenzimmer wurde der Fernsehapparat leiser gestellt.
    »Aber du kennst hier doch niemanden mehr oder hast zumindest mit keinem mehr Kontakt.« Fürsorglich eilte Maud in die Küche, nahm ein Glas aus dem Schrank und füllte es mit Leitungswasser. »Hier trink! Das wird deinen Hals beruhigen.«
    Hastig nahm Shade, die im Durchgang stehen blieb, einen Schluck. »Wir hatten jemanden kennengelernt, als ich den Winter, der dieses Jahr außergewöhnlich früh kam, auf dem Mount Jackson untersuchte«, flunkerte sie schweren Herzen, aber sie log nicht vollkommen. Es lag ein Fünkchen Wahrheit in dem, was sie sagte. »Als ich hörte, dass er einen Unfall hatte, schaute ich kurz bei ihm vorbei.«
    »Geht es ihm gut?«
    Shade lächelte mühsam, weil sie keine Lust auf weitere Ausreden hatte. So schnell würde Bill Gold sich nicht erholen, zumal die Erfrierungen nicht durch normale Kälte, sondern durch Frost aus der Schattenwelt hervorgerufen worden waren.
    »Dein gut aussehender Begleiter, kommt der aus dem Mono County? Die Männer von hier sind treu und verlässlicher, das weißt du ja von deinem Dad.«
    »Dem kann ich nur zustimmen.« Alberts Lachen drang aus dem Wohnraum zu ihnen.
    Shade ging zu ihm und herzte ihn. Wie immer saß Baba in seinem Ohrensessel mit dem hässlichen grau-blauen Stoff, der auf dem Sitz und den Armlehnen schon ganz abgewetzt war. Dort war er so gut wie immer anzutreffen. Seit er achtzig geworden war, stand er von dort nur noch auf, wenn es unbedingt sein musste, was seiner Körperfülle nicht zuträglich war. Er füllte den kompletten Sessel aus. Sein Gehstock lehnte an der Seite. Die Rippchen der vergangenen Grillfeste hefteten sich an seine Hüften, seit seine Arthrose ihn von seinen Wanderungen durch die Berge abhielt, die er regelmäßig unternommen hatte, als er noch fitter gewesen war.
    Shade nahm auf der Couch Platz und drehte das Glas in ihren Händen hin und her.
    »Was ist nun mit deinem Freund?«, hakte Maud unnachgiebig nach, nahm ihrem Mann die Fernbedienung ab und schaltete die Kiste, wie sie sie nannte, aus.
    »Es ist nur ein Bekannter«, korrigierte Shade, fühlte sich jedoch schlecht dabei, ihre Beziehung herunterzuspielen. Roque war mehr, viel mehr! »Er ist nur auf der Durchreise.«
    Unschuldig klimperte Maud mit den Wimpern und setzte sich auf die Armlehne neben ihren Mann. »Wie heißt denn der Gute?«
    »Bombardiere das Mädchen doch nicht mit Fragen!« Mit einer Geste versuchte Baba seine Frau zum Schweigen zu bringen, aber genauso gut hätte er ihren Mund mit Honig zukleben können – das hätte ebenso wenig genutzt. »Du siehst doch, wie peinlich es ihr ist, über ihn zu sprechen!«
    Obwohl ihr Großvater Shade in Schutz nahm, machten seine Worte sie nur noch verlegener.
    »Eben das lässt mich aufhorchen. Bisher hat sie sich noch nie geschämt, wenn wir über einen ihrer Freunde geredet haben.« Aufgeregt rieb Maud ihre Handflächen aneinander. »Schau nur, wie gut ihr die geröteten Wangen stehen. Sie sieht viel hübscher aus.«
    Baba murrte. »Sie ist immer hübsch.«
    »Hallo!«, rief Shade und hob ihren Arm. Sie kam sich vor, als wäre sie wieder dreizehn. »Ich bin noch im Raum.«
    Ungeduldig wickelte Maud ihre Halskette um einen Finger.

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