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Eisige Versuchung

Eisige Versuchung

Titel: Eisige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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interessieren. Eigentlich ist der Siedlerfriedhof ein Kulturerbe und sollte instand gehalten werden.« Schnaubend nahm Baba gleich drei Kekse auf einmal – in weiser Voraussicht, vermutete Shade, falls Maud ihn erneut ärgerte –, legte zwei auf den Rand seiner Untertasse und biss genüsslich auf dem dritten herum.
    Shade fiel ein, dass Roque auf der Landkarte, die er in Broadbakers Auto gesehen hatte, das Wort Kultur gelesen hatte, doch das war nur ein Teil der Überschrift gewesen, den Rest hatte er nicht lesen können. Vielleicht hieß es Kulturerbe oder Kulturstätte . Wie auch immer, die Lichtung galt definitiv nicht als Baugrund.
    Jetzt wusste sie immerhin, wie sie dem Sheriff zumindest ein Bein stellen konnte. Sie musste die Pläne des Friedhofs im Rathaus einsehen, kopieren und ihn und Broadbaker öffentlich anprangern. Die Medien waren mächtig, sie konnten Menschen aufbauen und zu Fall bringen und lechzten in ihrer Sensationsgier stets danach, von Verfehlungen bekannter Personen zu erfahren, um sie öffentlich fertigzumachen und die Auflagenhöhe ihrer Zeitungen oder die Zuschauerzahlen ihrer TV-Sendungen zu steigern.
    Der Investor hatte den Sheriff geschmiert, so viel stand fest. Dieser illegale Handel würde ihm beruflich das Genick brechen. Auge um Auge, Zahn um Zahn hätte bedeutet, Shade müsste ihm ein Messer in den Brustkorb jagen, aber so weit wollte sie aus Rache selbstverständlich nicht gehen. Allerdings würde sie sich näher mit Wendy befassen, um die arme Frau aus der Gefangenschaft ihrer unglücklichen Ehe zu befreien und ihrem Mann Earl einen weiteren Tiefschlag zu verpassen, indem sie seine Verbindung zum Gemeindevorsteher kappte.
    Stein um Stein würde Shade Hartcourts Leben auseinandernehmen, bis ihm nichts mehr blieb. Endlich hatte sie einen Plan!
    Sie trank ihren Kaffee aus und stand auf. »Ich muss jetzt wirklich gehen.«
    »Bleibst du nicht zum Abendessen?« Mühsam erhob Albert sich mithilfe seines Gehstocks aus dem Ohrensessel.
    Bevor Shade antworten konnte, sagte Maud: »Dieser schöne Fremde wartet auf dich, habe ich recht?«
    »Darling, bitte!« Mit dem Stock klopfte Baba gegen den Türrahmen, als wollte er seine Frau damit zur Räson bringen.
    »Wie hieß er noch gleich?« Maud tat so, als grübelte sie, dann gab sie die Antwort gleich selbst – und zwar butterweich: »Roque.«
    Ihre Großeltern begleiteten Shade zur Tür. Im Spiegel neben der Garderobe bemerkte sie ihr hochrotes Gesicht. Ihr war so heiß, dass sie ihre Skijacke zwar anzog, aber den Reißverschluss nicht schloss. Sie freute sich sehr darauf, den Eisengel gleich wiederzutreffen, dabei war es nicht lange her, seit sie auseinandergegangen waren.
    Es war schön, seinen Namen aus dem Mund eines Familienmitglieds zu hören. Üblicherweise ging man mit jemandem aus, man kam zusammen und erwähnte den neuen Partner beiläufig zu Hause. Der nächste Schritt bestand darin, dass er eingeladen wurde, damit die Angehörigen ihn kennenlernten. Doch bei Roque würde das nicht geschehen. Eigentlich durften Shades Großeltern nicht einmal von ihm wissen. Das stimmte sie traurig. Es führte ihr erneut die Hoffnungslosigkeit vor Augen. Ihre Leben konnten sich niemals verbinden. Sie würden nie gemeinsam ins Kino gehen, zusammenziehen und über Nachwuchs sprechen. Roque war ein Engel, was auf den ersten Blick faszinierte, doch auf den zweiten stellte ebenjenes Wunder eine überwindbare Hürde für sie dar.
    Baba küsste sie auf die Wange. »Wirst du bei Mr. und Mrs. Boyd reinschauen?«
    Stumm schüttelte Shade den Kopf und nestelte unnötigerweise an ihrer Kapuze herum. Als sie die Haustür öffnete und heraustrat, spürte sie nur einen geringen Temperaturunterschied. War es noch wärmer geworden, oder heizte ihre Verlegenheit ihr ein?
    »Sie würden sich bestimmt freuen, dich wiederzusehen.« Sanft drückte Maud sie.
    »Ich kann nicht.« Shade bekam diese drei Worte kaum heraus. Ihre Stimme klang so leise, dass sie sich selbst kaum hörte.
    Unmöglich konnte sie Kids Eltern unter die Augen treten. Natürlich hätten die beiden sie in die Arme genommen und freudig begrüßt, aber Shade ertrug ihre Freundlichkeit nicht mehr, seit dem Tag, als sie gemeinsam mit ihrem Sohn in die Wälder gegangen, jedoch allein wieder lebend herausgekommen war.
    Das Ehepaar Boyd kannte nicht die ganze Wahrheit. Niemand in ihrem Umfeld wusste, was passiert war. Shade hatte den ganzen unschönen Vorfall einmal einer Therapeutin in Los Angeles

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