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Eisiges Blut

Eisiges Blut

Titel: Eisiges Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Masello
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gebraucht wird, Sir, könnte er vielleicht Lieutenant Healey im Kommandoturm Gesellschaft leisten. Es
ist unmöglich, von dort oben über Bord zu gehen, und vielleicht möchte er sehen, wie das Schiff gesteuert wird.«
    Purcell stieß empört die Luft aus und sagte, ohne sich umzudrehen: »Sagen Sie ihm, dass er den ganzen Weg bis nach Chile zurück schwimmen kann, wenn er über Bord geht, ehe ich mit diesem Schiff kehrtmache.«
    Daran zweifelte Michael nicht, doch er nahm seine Worte als Aufforderung, zur Wendeltreppe zu gehen, auf die Ramsey zeigte, und rasch hinaufzusteigen.
    »Haben Sie Lust auf ein bisschen Gesellschaft, Kathleen?«, hörte er Ramsey in sein Headset sagen, aber er verlangsamte nicht seine Schritte, um zu erfahren, ob er willkommen war. Eilig ging er weiter, bis er die Brücke unter sich gelassen hatte und auf einer Plattform am Fuß eines nahezu schwarzen Schornsteins stand. Von hier aus führte nur noch eine Stahlleiter weiter nach oben. Das Schiff erbebte, und Michael krachte mit der Schulter gegen die gerundete Wand. Er fühlte sich, als befände er sich in jenem Schornstein im Haus des
Zauberers von Oz
, der von einem Tornado erfasst und herumgeschleudert wird. Hoch über sich, mindestens sechs bis zehn Meter entfernt, erkannte er ein blaues Flimmern, ähnlich wie das eines Fernsehers, und hörte das Piepen und Summen von Maschinen.
    Er setzte einen Fuß auf die unterste Sprosse der Leiter und begann langsam emporzusteigen. Wenn der Bug des Schiffes sich hob, kippte er nach hinten, von der Leiter weg; wenn das Schiff sich aufrichtete, wurde er wieder nach vorn geschleudert. Einmal fehlte nicht viel, und er hätte sich einen Vorderzahn ausgeschlagen. Entsetzt malte er sich aus, wie man daraufhin sein zahnärztliches Attest für ungültig erklären würde. Die Sprossen waren kalt und klamm, und er musste jede mit festem Griff packen, ehe er nach der nächsten greifen konnte. Als er bei den letzten Stufen anlangte, sah er zuerst ein Paar schwarze Schuhe mit Gummisohlen, dann eine blaue Hose. Er zog sich das letzte
Stück hoch, und als das Schiff für ein oder zwei Sekunden gerade zu stehen schien, kam er auf die Beine.
    Lieutenant Healey hielt eine kleinere Ausgabe des Steuerrads unten auf der Brücke in der Hand, und ihr strenges Gesicht wurde vom GPS und einer Reihe von weiteren Oszilloskopen beleuchtet, die Michael nicht genauer identifizieren konnte. Ihr Blick war direkt nach vorn gerichtet, der Kiefer angespannt. Ein Headset klemmte über dem kurzen braunen Haar. Die Steuerkabine des Kommandoturms war eine moderne Variante des Krähennestes und kaum groß genug für sie beide. Michael versuchte, beim Atmen nicht Kathleens Nacken anzupusten.
    »Raus auf Deck zu gehen war eine ziemlich schlechte Idee«, sagte sie und erinnerte Michael daran, dass sie diejenige war, die ihn erwischt hatte. »Wir haben eine Windgeschwindigkeit von mehr als einhundertsechzig Kilometer pro Stunde.«
    »Ich hab’s kapiert«, sagte er. »Der Kapitän erwähnte es bereits.« Um das Thema zu wechseln, fuhr er fort: »Sie sitzen also ganz allein hier oben auf dem Fahrersitz?« Alle Fenster ringsum bestanden aus verstärktem Glas. Sie waren mit Schleuderscheiben ausgestattet, herumwirbelnde Scheiben, die das Wasser durch die Zentrifugalkraft wie Scheibenwischer fortschleuderten. So hatte man rundherum einen ungehinderten Blick auf den brodelnden Ozean. Hinter ihnen, auf dem Achterdeck, hatte sich eine Ecke der Helikopterplane losgerissen und flatterte wie der riesige, dunkelgrüne Flügel einer Fledermaus.
    Wenn er nur ein paar anständige …
    »Wenn die Sicht so eingeschränkt ist wie jetzt, zusammen mit so hohem Seegang«, sagte sie, »übernimmt häufig der Kommandoturm die Kontrolle über das Schiff.«
    Michael konnte den Grund dafür erkennen. Wohin er auch blickte, befand sich das Meer in wildem Aufruhr. Schwere Sturzseen und hohe Wogen, soweit das Auge reichte, und darin zerklüftete Eisberge, die auf den Wellen zu tanzen schienen, um
gleich darauf wieder unterzutauchen oder gegeneinanderzuprallen. Die Wellen, die höher waren, als er es sich je hätte vorstellen können, brachen sich am Bug des Schiffes und gingen als Eisregen nieder. Die Gischt spritzte so hoch, dass sie sogar die Fenster ihres Krähennestes erreichte.
    Alles zusammen, die wilde, kochende See und der aufgewühlte Himmel darüber, die dunklen Flecken der Vögel, die wie Blätter vom brüllenden Wind getrieben wurden, war in das unwirkliche

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