Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit
geirrt. Ich wusste, dass Rob ein grober Kerl ist und beim Verhör ganz schön brutal sein konnte, aber ich hätte nie geglaubt, dass er zu einem kaltblütigen Mord fähig wäre. Ich habe Mary Grace nie mit Blutergüssen gesehen, aber, ehrlich gesagt, ich habe auch nicht hingeschaut. Ich hätte nie vermutet, dass Rob so …«
Steven wartete.
»… böse sein könnte«, beendete Crowley den Satz mit einem leichten Schulterzucken. Um ihn herum nickten ein paar Köpfe. »Damals habe ich nicht geholfen, weil ich von nichts wusste. Jetzt weiß ich Bescheid. Ich war nie mit Rob in seiner Hütte. So gut kannte ich ihn nicht. Aber Jolley war dort.«
Stevens Nackenhaare sträubten sich. Er sah zu Ben Jolleys leerem Schreibtisch hinüber. »Wo ist er?«
»Zu Hause«, erklärte Toni. »Er hat Urlaub genommen, nachdem Spinelli die tote Prostituierte gefunden hatte. Er brauchte Zeit, um das alles zu verarbeiten, und ich habe ihm die Zeit gewährt. Er wird noch früh genug seine Disziplinarstrafe erhalten.« Sie deutete auf Crowley. »Jim, holen Sie ihn her. Falls er eine Straßenkarte besitzt, bringen Sie sie mit.«
Crowley erhob sich und zog seine Jacke an. »Ich werde ihn vermutlich zunächst ausnüchtern müssen. Ich habe ihn gestern Abend in der
Two Point Tavern
gesehen, so betrunken, dass er nicht mehr stehen konnte. Ich musste ihn nach Hause fahren.«
Toni schürzte die Lippen. »Dann geben Sie ihm Kaffee zu trinken, bis er nüchtern ist. Aber schaffen Sie ihn so schnell wie möglich her.« Sie wandte sich Steven zu. »Ihre Tante hat aus dem Krankenhaus in Raleigh angerufen. Sie sagt, es ginge ihr gut, und Sie sollen sich um sie keine Sorgen machen und sich darauf konzentrieren, Nicky zu finden.«
Erstaunlicherweise brachte Steven ein kleines Lächeln zustande. »Eine tolle Frau, meine Tante Helen.«
Asheville
Montag, 19. März, 11:15 Uhr
»Miss Broughton«, bat Max mit flehender Stimme. Er hätte die Frau am liebsten gepackt und die Wahrheit aus ihr herausgeschüttelt, und es kümmerte ihn beinahe nicht mehr, dass auch sie ein Opfer von Winters war. Er schlug mit der Faust auf die abgenutzte Tischplatte im Verhörraum des Gerichtsgebäudes ein. »Wenn Sie einen Funken Anstand im Leibe haben, sagen Sie uns, wo er sich versteckt. Um Gottes willen –
wo ist diese Hütte?«
Sue Ann Broughton saß am Verhörtisch, das Haar zerzaust und fettig, den Blick auf die Tischplatte geheftet. Sie sah niemanden an.
»Ich will einen Anwalt«, flüsterte sie kaum hörbar.
Detective Lambert schüttelte den Kopf. »Sie sind ja nicht verhaftet worden, Miss Broughton. Es steht Ihnen frei, auf eigene Kosten einen Anwalt hinzuziehen, aber ich bin nicht verpflichtet, Ihnen einen Anwalt zu stellen, solange man Sie nicht verhaftet hat.«
Sue Ann hob müde den Blick. »Warum kann ich dann nicht nach Hause gehen?«
Lambert verzog keine Miene. »Weil Sie als Hauptzeugin zur Verfügung stehen müssen. Das habe ich Ihnen nun schon mehrfach erklärt.« Er stützte lässig den Ellbogen auf den Tisch. »Ich kann Sie allerdings der Beihilfe und Deckung eines Verdächtigen anklagen.«
»Rob hat diese Frauen nicht umgebracht«, protestierte sie, doch die Worte entstammten eher ihrer Angst als ihrer wahren Überzeugung. »Er hat es nicht getan.«
Lambert blickte sie lediglich skeptisch an. »Hat er Ihnen das gesagt?«
Sue Ann funkelte ihn böse an. »Das wissen Sie doch. Sie haben unser Telefon angezapft. Nur so konnten Sie wissen, dass ich mich heute Morgen mit ihm treffen wollte.«
Lambert hob die Schultern. »Dann ist Ihnen auch bekannt, dass wir von der Geldübergabe wissen. Sie haben ihm Bargeld gebracht, damit er weiter flüchten konnte. Das ist Beihilfe zu einem Verbrechen.« Er behielt Sue Ann scharf im Auge, und in Max erwachte ein kleiner Funken Hoffnung. Vielleicht schaffte Lambert es, Sue Ann weich zu kochen. Vielleicht würde Sue Ann ihnen verraten, wo sie Caroline finden konnten. »Also, Sue Ann, Sie wollen doch nicht, dass Ihr Kind im Gefängnis zur Welt kommt?«
Sue Ann wurde blass. »Nein. Sie können mich nicht ins Gefängnis stecken.« Ihre Hand legte sich instinktiv auf ihren Leib. »Das können Sie nicht tun.«
Wieder zuckte Lambert mit den Schultern. »Ich nicht, aber eine Jury kann das und wird es tun. Das Risiko würde ich an Ihrer Stelle nicht gern eingehen. Sie können mir also entweder sagen, was ich wissen will, oder ich wende mich mit dem, was ich weiß, an den Bezirksstaatsanwalt. Sie haben die Wahl.«
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