Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit

Titel: Eiskalt Ist Die Zaertlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Rose
Vom Netzwerk:
ich hatten uns hier, in Großmutters Haus, zurückgezogen, um allein zu sein. Um den anderen aus dem Weg zu gehen. Er hatte geweint.« Max blickte auf seine Hände. »Nie zuvor habe ich meinen Vater weinen sehen, nicht einmal, als Ma die Kinder verlor. Er saß hier an diesem Tisch und weinte. Und sagte mir, dass er mich liebte, dass er stolz auf mich wäre. Das war wohl der bedeutsamste Augenblick in meinem Leben. Und das bleibt mir …«, er schluckte heftig, »… als die letzten Worte, die mein Vater zu mir sagte. Auf der Heimfahrt war ich bei Glatteis ins Rutschen geraten, mein Wagen rammte einen Baum und stürzte dann in den Graben.« Seine Hände lagen mit gespreizten Fingern flach auf dem Tisch, und er zuckte zusammen, als Caroline ihre kleinen Hände auf seine legte.
    »Und er ist gestorben.« Das auszusprechen konnte sie ihm abnehmen. Wenigstens das konnte sie für ihn tun.
    »Ja. Gott sei Dank ist er auf der Stelle tot gewesen. Hätte er leiden müssen, wäre das Mas Untergang gewesen.« Er holte tief Luft und stieß sie leise wieder aus. »Ich habe mir oft gedacht, dass ich lieber mit ihm zusammen gestorben wäre.«
    Ihr Herz krampfte sich zusammen. »Du warst schwer verletzt.«
    »Ich war verletzt. Ich hatte einen Wirbelbruch und war gelähmt. Meine Karriere war zu Ende, mein Vater war tot, meine Mutter war Witwe.«
    »Und du gabst dir die Schuld daran.«
    »Aber sicher.« Er drehte die Hände um und legte seine Fingerspitzen gegen ihre. Dann verschränkte er seine Finger mit ihren und hielt sie fest. »Es war meine Schuld. Selbst wenn mich rechtlich keine Schuld traf, so war es meine Schuld. Ist es immer noch meine Schuld.«
    »Und?«
    Max blickte sie an und entdeckte Tränen in ihren Augen. Er strich mit ihren ineinander verschränkten Händen über ihre Wimpern und sorgte dafür, dass die Tränen ungehindert über ihre Wangen laufen konnten. »Weine nicht um mich, Caroline.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich weine nicht um das, was du bist, auch nicht um das, was dir widerfahren ist. Ich weine, weil ich mir vorstelle, wie du dich gefühlt hast, als du in deinem Krankenbett lagst. Ganz allein, weil du glaubtest, du hättest es nicht anders verdient.«
    Vor Erstaunen fand er zunächst keine Worte. Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen, hatte eine Wahrheit ausgesprochen, die er nie jemandem anvertraut hatte, seit er seiner Mutter den Mann und seinen Geschwistern den Vater genommen hatte. »Genau«, sagte er gedehnt. »Ich war einsamer als jemals zuvor in meinem Leben. Und ich war bereit aufzugeben.«
    Caroline versuchte, ihre Hand zu befreien, doch er ließ sie nicht los. So blieb sie still sitzen und schnupfte, bis er ihr ein Papiertaschentuch in die Hand drückte. »Aber du hast nicht aufgegeben. Wie kam das?«
    »David kam zu mir. Er wollte nicht zulassen, dass ich aufgab. Er drängte mich und bearbeitete mich und redete auf mich ein, bis ich mich schließlich zu Reha-Maßnahmen bereit erklärte, nur, damit er den Mund hielt. Es hat lange gedauert, bis meine Beine auch nur mein eigenes Gewicht wieder tragen konnten, und auch da musste ich noch im Rollstuhl sitzen.« Er trank einen großen Schluck Wasser aus seinem Glas. »Ich beschloss, endlich das zu tun, was Pop sich gewünscht hatte.«
    »Du bist nach Harvard gegangen und hast deinen Doktor gemacht.« Nachdem sie nun die Tränen unter Kontrolle hatte, musterte sie ihn forschend. »Wie hast du es geschafft, in Harvard aufgenommen zu werden, wenn du doch auf dem College so schlechte Noten hattest?«
    »Nun ja, da habe ich eben wohl ein bisschen übertrieben. Ich habe zwar kaum studiert, aber trotzdem meistens eine Eins, manchmal auch eine Zwei geschafft.«
    »Und das nennst du mit knapper Not?«, fragte sie leicht belustigt.
    »Für mich, ja. In der Highschool war ich gewohnt, beste Noten zu bekommen, ohne auch nur einen Finger zu krümmen. Ma war deswegen oft genug sauer auf mich. ›So wirst du nie lernen, wie man Verantwortung übernimmt, Max‹, hat sie immer gesagt.«
    »Sie hat sich geirrt.«
    »Jetzt schmeichelst du mir«, entgegnete er mit einem Lächeln und sah ihr in die Augen, die sein Lächeln erwiderten. »Zusammen mit meinem Zimmergefährten David zog ich also in Harvard ein. Er achtete darauf, dass ich meine Übungen machte und zur Reha ging. Damit ich wieder laufen lernte, hat er einige der schönsten Jahre seines Lebens geopfert.«
    »Ich möchte wetten, dass er das als eine seiner tollsten Errungenschaften betrachtet. Er ist

Weitere Kostenlose Bücher