Eiskalt Wie Die Suende
sich deswegen noch lang nichts ändern.â
âSchön für dichâ, sagte Nell und verspürte einen leichten Anflug von Neid, dass dieser Junge einen so unerschütterlichen Glauben hatte. Einst hatte sie ebenso unverbrüchlich zu ihrer Religion gestanden wie er, war sich ebenso gewiss gewesen, dass ihre Kirche ihr den richtigen Weg wies. Nie hätte sie sich träumen lassen, dass sich daran mal etwas ändern könnte, und doch ⦠nun liebäugelte sie nicht nur mit dem Protestantismus, sondern erwog sogar die Scheidung.
Sie gingen wieder hinein und sahen sich noch ein wenig in der Wohnung um, allerdings vergebens, denn es wollte sich kein Hinweis darauf finden, was hier am Dienstagabend tatsächlich geschehen war. Durch die Decke waren die rhythmisch auf den Dielen klackernden Schritte der Cancan-Tänzerinnen zu hören, die sich über ihnen auf der Bühne drehten und wendeten und die Beine in die Luft warfen.
âÃh, also ⦠ich weià nicht, ob Sie das nicht besser lassen solltenâ, sagte Denny, als Nell die Tür des Kleiderschranks aufzog.
âIch wollte nur mal sehen, wie viel Platz ich da drin für meine Sachen habeâ, meinte sie mit Unschuldsmiene. âDie Wohnung wird doch möbliert vermietet, oder?â
âKeine Ahnung. Ich weià nur, dass Finn mich vermöbelt, wenn er merkt, dass Sie hier an Marys und Johnnys Sachen rumgefingert haben. Tut mir ja wirklich leid, aber â¦â
âAch, so wichtig ist das auch nichtâ, beschwichtigte ihn Will, warf Nell einen warnenden Blick zu und wandte sich zur Tür, als wolle er gehen. âIch denke, wir haben genug gesehen, also könnten wir doch eigentlich auch wieder â¦â Dann drehte er sich unvermittelt zu Denny um, als sei ihm noch etwas eingefallen. âSag mal, solltest du dem Barkeeper nicht noch irgendwas holen? Einen Krug Jamesonâs, nicht wahr?â
âAch herrje! Danke, hätte ich fast vergessen. Riley macht mich zur Schnecke, wenn ich ohne den Jamesonâs hochkomme.â Er kramte den Schlüssel mit dem roten Band aus seiner Hosentasche. âDas ist nebenan im Kohlenkeller. Bin gleich wieder da.â
Nachdem er mitsamt der Laterne verschwunden war, wurde das Zimmer nur noch vom schwachen Schein der Kerze erhellt, die recht verloren auf dem Tisch stand. Will machte sich dennoch sogleich an die Arbeit, trat an die Schiffstruhe, klappte den Deckel hoch und wühlte darin herum. Nell öffnete den Kleiderschrank und sah die spärliche, oft ausgebesserte Garderobe durch, die darin hing: drei Männerhemden, zwei Hosen, eine Leinenjacke, Weste, Hosenträger, zwei Paar gestopfte Strümpfe, zwei Hemdkragen, eine gestreifte Krawatte, Schnürstiefel aus weichem Leder, ein breiter Gürtel aus Baumwolltuch mit Lederschnalle und eine enge Hose aus dünnem grauen Trikotstoff. Trikothose, Stiefel und Gürtel erkannte sie sofort wieder â Johnny Cassidy hatte sie auf der Fotografie getragen, die drauÃen im Fenster hing.
âHast du auch so neckische Sachen getragen, als du in Oxford im Boxclub warst?â, fragte sie Will.
Er schaute von der Truhe auf und meinte: âJa, doch. Eigentlich ganz bequem, bis auf den Gürtel. Hier ist nichts Interessantes drin, nur ein paar mottenzerfressene Decken und lauter Krimskrams.â
âAn diesem Schrank ist durchaus etwas interessantâ, sagte Nell. âDie Kleider gehören alle Johnny Cassidy. Nicht ein einziges Kleidungsstück von einer Frau. Keine Hüte, kein Schmuck, keine Schuhe, keine Strümpfe, keine Unterwäsche â nichts.â
âWoraus sich schlieÃen lieÃeâ, sagte Will und klappte die Truhe wieder zu, âdass sie ihre Sachen gepackt hat, bevor sie verschwunden ist.â
âWas wiederum darauf schlieÃen lieÃe, dass sie aus freien Stücken gegangen ist.â
âDas lässt doch hoffen.â Er sah sich in dem Zimmer um und murmelte: âEin verdammt elendes Loch ist das hier. Entschuldige.â
Nell nickte und schloss die Schranktüren, soweit sie sich schlieÃen lieÃen. âAls würde man in einer Höhle leben. Im Winter muss es noch schlimmer sein. Ich kann mir kaum vorstellen â¦â Sie verstummte jäh und spähte quer durch das Zimmer zu der Wand, die es vom Kohlenkeller trennte. Hoch oben schimmerte ein schwacher Lichtschein.
âWas ist?â, fragte Will, als Nell sich die
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