Eiskalt Wie Die Suende
Will verschwunden war. âIhr Zuhälter, was? Was bleibt Ihnen denn vom Geschäft? Zehn Prozent? Zwanzig? In ânem erstklassigen Puff verdienen Sie nicht nur mehr, sondern können auch mehr behalten.â
âIch ⦠ich werde mal drüber nachdenken. Aber bis dahin, also â¦â
âSagen Sie mir einfach Bescheid, dann besorg ich Ihnen was Schönes. Ich kenne einige Damen, die sehr diskrete Häuser führen â erstklassig, distinguiert. Nur allerbeste Kundschaft â sauber, vermögend. Manche sollân auch ein hübsches Trinkgeld geben, hab ich mir sagen lassen.â
âEntschuldigen Sie die Frageâ, wandte Nell verwundert ein, âaber was hätten Sie von der ganzen Sache?â
âIch bekomme Provision, weil ich Sie ihnen vermittelt habe, und glauben Sie mir, die wird beträchtlich höher sein als mein Anteil von dem, was Sie hier unten verdienen würden. Keine Sorge, Sie würden mir gar nichts schulden â geht alles auf Kosten der Dame des Hauses.â
âIch ⦠ähm, ja. Ich werde es in Erwägung ziehenâ, sagte Nell.
âTun Sie das. Und jetzt â¦â Mutter schob ihren massigen Körper im Sessel nach vorn und schaute zur Bar hinüber. âJetzt könnten Sie mir mal Flora oder eins von den andern Mädchen holen. Ich muss pinkeln und bin wegen meiner Gicht nicht so gut zu FuÃ.â
âOh. Ja, natürlich. Ãhm, ja ⦠ich könnte Sie doch kurz in den Hof bringenâ, erbot sich Nell.
âIn den Hof?â Mutter schnaubte verächtlich. âSchätzchen, ich pinkel doch nicht in dieser Holzkiste. Ich habe hier mein privates WC.â Sie deutete auf eine Tür im hinteren Teil des Zimmers. âGeben Sie mir die malâ, meinte sie und zeigte auf ein Paar Krücken, die an der Wand lehnten.
Nell brachte sie ihr und stützte Mutter Nabby, während sie sich keuchend vor Anstrengung aus dem Sessel hievte, beide Hände auf die unter ihrem Gewicht bedrohlich schwankenden Krücken gestemmt. Mutters Haut fühlte sich unangenehm weich und feucht an. Durch den Geruch von Tabak und Hammelfett drangen die Ausdünstungen eines früh gealterten, kranken, verwahrlosten Körpers. Als sie schlieÃlich stand, wirkte sie noch massiger. Fünfhundert Pfund dürfte sie mit Leichtigkeit auf die Waage bringen.
Laufen war eine Qual für Mutter Nabby. Bei jedem Schritt musste sie erst ihre Krücken aufsetzen, dann vorsichtig einen Fuà nachziehen, dann wieder die Krücken und den anderen FuÃ, um nicht ihr mühsam gewahrtes Gleichgewicht zu verlieren. Nell verdankte es ihrer jahrelangen Erfahrung als Krankenschwester, dass es ihr gelang, Mutter bei diesem heiklen Unterfangen zu helfen, ohne sich auch nur eine Andeutung von Ungeduld oder Ekel anmerken zu lassen.
âIch habe mich nicht in Ihnen getäuschtâ, grunzte Mutter, während sie sich keuchend und schnaufend durch das Zimmer schleppte. âSie sind einfach reizend, ganz reizend. Und ich sagâ Ihnen, das zahlt sich aus. Sie könnten ânen Vermögen machen.â
11. KAPITEL
Bis Nell es endlich geschafft hatte, Mutter Nabby zum WC zu begleiten und sie auch wieder zurück in ihren Sessel zu befördern, saà Will längst an einem kleinen Tisch in einer dunklen Nische und war tief in ein Gespräch mit Pru versunken. Eines der Serviermädchen stellte zwei frisch gefüllte Gläser vor ihnen ab und nahm die leeren gleich wieder mit. Sowie sie sich umgedreht hatte, tauschte Will die beiden Gläser aus, schob Pru seines zu und nahm sich das ihre, welches vermutlich keinen Alkohol enthielt. Dabei blinzelten sie sich auf eine so wissende, verschwörerische Weise zu, dass Nell eine Gänsehaut bekam. Pru, die Nell halb den Rücken zukehrte, hob ihr Glas und trank es in einem Zug fast ganz aus.
Sie sagte etwas zu Will, der daraufhin erwiderte â es fiel Nell nicht schwer, die Worte von seinen Lippen abzulesen â, âGern geschehenâ. Im nächsten Augenblick lehnte Pru sich weit vor, fuhr ihm mit der Hand über das Revers und sagte etwas, das Will lächeln lieÃ. Es mochte ja sein, dass sie in Finn verliebt war, wie Denny Delaney behauptet hatte, doch das schien Pru keineswegs davon abzuhalten, sich in anderen Gewässern zu tummeln.
Als Will sich zurücklehnte, fiel sein Blick auf Nell, und er bedeutete ihr mit einem leichten Nicken des
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