Eiskalt Wie Die Suende
âZeigâs ihm, dem Mistkerl!â â so laut in Nells Kopf wider, als stünde sie selbst inmitten des Rings.
Riley, der Barkeeper, nickte ihnen kurz zu, als sie zu ihm hinüberkamen, wenngleich er angesichts von Nells Garderobe ein wenig enttäuscht zu sein schien. Zwar trug sie heute denselben blau schillernden Satinrock mit Turnüre aus Mary Agnesâ Beständen wie Donnerstagabend, doch diesmal hatte sie ihn mit einer ihrer eigenen weiÃen Spitzenblusen kombiniert. Obwohl sie die obersten Knöpfe offen gelassen hatte, war sie vergleichsweise sittsam gekleidet.
Nachdem sie ein paar Minuten lang über allerlei Belanglosigkeiten geplaudert hatten, fragte Will Riley, ob ihm auch dieser einbeinige Gesell aufgefallen wäre, der am Montagabend von Johnny Cassidy aus dem Saloon geworfen worden war. âLeider war ich ja selbst nicht dabeiâ, sagte Will mit seinem Bostoner Akzent, âaber ich hab davon gehört. Na, und jetzt frage ich mich gerade, ob das vielleicht der Bursche war, mit dem ich mal zusammen in der Armee war und ob irgendwer ihn hier kannte und weiÃ, wie er heiÃt.â
âNee, der ist mir auch erst aufgefallen, als Johnny ihn hochkant rausgeschmissen hatâ, meinte Riley und wischte den Tresen mit dem schmuddeligen Lappen ab, mit dem er auch die Gläser putzte. âKeine Ahnung, wie der heiÃt. Ist kein Stammgast.â
âWirklich nicht?â, fragte Will. âIch hab aber gehört, dass er am nächsten Abend gleich noch mal gekommen sein soll.â
âDienstag? Nicht dass ich wüssteâ, brummte Riley. âUnd ich steh ja hier gleich bei der Tür und bekomm eigentlich alles mit. Aber gut, als dann Johnny erschossen worden war, ging hier eh alles drunter und drüber, kann schon sein, dass ich ihn da nicht bemerkt habe.â
âIch glaub, dass er schon vorher gekommen istâ, meinte Will.
Riley schüttelte den Kopf und sagte: âFinn weià das vielleicht. Er hat am Dienstagabend zwar geboxt, aber eigentlich entgeht ihm nix, was hier so vor sich geht.â
âAh ja, danke. Dann frage ich mal ihn.â
âDa werden Sie aber warten müssen, bis das Match vorbei ist.â Mit dem Kopf deutete Riley in den hinteren Teil des Saloons. âEr steht nämlich gerade gegen Bulldog Cunigan im Ring.â
Am Eingang zum Tanzboden blieben sie stehen und gesellten sich zu den johlenden und jubelnden Zuschauern. Die Menge hatte sich dicht an dicht um die von Seilen abgetrennte hölzerne Plattform geschart, auf der Finn und sein deutlich kleinerer, dafür aber umso stämmigerer Gegner mit bloÃen, blutbesudelten Fäusten aufeinander einschlugen. Das Geschrei und Getobe des Publikums war ohrenbetäubend, das Gerangel oben im Ring brutal und unerbittlich.
âZeigâs ihm, Southpaw!â, brüllte jemand. âDer kriegt sein Fett weg.â
âSchnapp ihn dir, Finn!â, kreischte eine Frau, die ganz vorne am Ring stand und sich im Eifer des Gefechts an die Seile klammerte â es war Pru. âLos, hau rein!â
Und Finn haute rein. Schlag um Schlag musste Cunigan einstecken und taumelte zurück, während Finn unermüdlich auf den Kopf seines Gegners einhieb. Schweià flog durch die Luft, als der groÃe, kräftige Ire seinen Gegner mit den Fäusten traktierte, das Gesicht zu einer wilden Grimasse verzogen, die Nell schaudern lieÃ. Cunigan hing längst abgeschlagen in den Seilen, doch Finn holte noch einmal mit seiner Linken aus und hieb sie ihm wie einen Vorschlaghammer ins Gesicht, sodass das Augenlid seines Gegners platzte und Blut in den Ring spritzte.
Nell hielt sich keuchend den Bauch und musste sich sehr zusammenreiÃen, damit ihr nicht übel wurde.
âNell.â Will legte seinen Arm um sie und drängte sie fort von dem grausigen Geschehen. âAlles in Ordnung?â, fragte er und musste fast schreien, um sich inmitten des tosenden Lärms Gehör zu verschaffen.
Zitternd rang sie nach Atem und meinte schlieÃlich: âSo eine Bestie!â
Will nickte. âFür ihn ist das kein Sport mehr, er ist besessen. Man muss sich nur mal seine Augen ansehen â es macht ihm SpaÃ, seinen Gegner bis aufs Blut zu prügeln. Komm, lass uns erledigen, was wir hier noch zu tun haben, dann können wir wieder verschwinden.â
Aber als sie die Barmädchen und die Kellnerinnen befragten, hatte auch von denen niemand
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