Eiskalte Angst
oder mit einem Hubschrauber zu erreichen sind.«
»Und was sagen die Bürger von Grindelwald dazu?«
»Sie wissen es nicht!« sagte Marco. »Zumindest die meisten von ihnen - obwohl ich mir sicher bin, dass es auch hier einige von ihnen gibt. Geschäftsleute, einflussreiche Personen. Immerhin müssen Lebensmittel und andere Dinge dort hoch transportiert werden und auch Anflüge von Hubschraubern bleiben nicht völlig unbeobachtet.«
April erinnerte sich wieder an den Polizisten, der gestern Morgen, mit Fernando ins Gespräch vertieft, an dieser Stelle gesessen hatte. Gehörte er auch zu denen?
Marco unterbrach ihre Gedanken. »Ich erlebte ein seltsames Ritual mit, deren Mittelpunkt ein mystischer Kristall war. Der Sinn dieses Rituals lag darin, einige besonders Auserwählte zu Heilern zu machen. Jeder wusste, dass der Kristall irgendetwas damit zu tun hatte, aber niemand fragte nach. Die Hauptsache war, man gehörte zum sogenannten Inneren Zirkel und war dadurch sozusagen geadelt. Man durfte auf die Menschheit losgelassen werden, um ebenfalls zu heilen ...«
»... aber das ist doch wunderbar!« setzte April hinzu. »Geheimnisvoll zwar - aber wunderbar! Endlich gibt es keine Krankheiten mehr.«
»Man nennt die Heiler auch die Oberen«, fuhr Marco unbeirrt fort. »Diese Oberen haben Macht und ganz besondere Kräfte. Mit dieser Kraft wollte mein Bruder mich vor einer Stunde vernichten. Eine dieser Kräfte bewirkt, dass der Gesundete dem Heiler verfällt und unter dessen Einfluss steht. Und das meine ich, wie ich es sage. Der Einfluss geht so weit, dass der Geheilte alles, aber wirklich alles für seinen Heiler tut. Ihm - also der Sekte, der Organisation - zum Beispiel auch sein Vermögen überschreibt! Es geht nicht nur um Macht - es geht auch um Geld, um viel Geld!«
»Kein Wunder ...«, wisperte April. »Ein sterbenskranker Millionär wird dem Heiler, dem er verfallen ist, sein gesamtes Vermögen schenken. Auf diese Weise ist es möglich, weltweit unvorstellbare Summen in den Besitz der Sekte zu bringen.«
»Das ist noch nicht alles. Der Geheilte folgt seinem Retter - in gewisser Weise sogar freiwillig - schließt sich der Sekte an und arbeitet darauf hin, ebenfalls dem inneren Kreis anzugehören und ebenfalls ein Heiler zu werden. Das alles wird von einem Mann gesteuert, den sie den großen Dragus nennen. Er hat ein Buch geschrieben, das über den normalen Handel nicht zu beziehen ist. In diesem Buch predigt er für eine Gesellschaft, die von einer privilegierten Kaste geleitet wird, die sich auf einer überlegenen geistigen und moralischen Ebene befindet. Diese Ebene erreicht man durch sogenannte Kommuns, also Gespräche, die nichts anderes sind als eine perverse Gehirnwäsche. Dass diese Kommuns eine Unmenge Geld kosten, versteht sich von selbst. Es gibt viele, die sich total verschulden, um diese Gehirnwäsche erleben zu dürfen!«
»Und warum macht man dabei mit?«
»Man wird süchtig nach den Effekten dieser Kommuns. Sie ähneln einem Rauscherlebnis. Außerdem nähert man sich mit der Zeit immer mehr dem inneren Zirkel, man erreicht die höchste Bewusstseinsebene. Das wirkliche Ergebnis jedoch ist eine tiefe Psychose, also Angstzustände und Verwirrung. Einige sind auf einer Ebene, auf der sie sich von außen sehen können, so, als wenn sie hinter sich stehen. Fachleute wissen, dass dies ein psychotischer Zustand ist, der durch Stress hervorgerufen wird. Viele Mitarbeiter - Jünger! - arbeiten bis zu achtzig Stunden in der Woche für die Organisation ohne Ruhepausen und ohne dafür Geld zu erhalten.«
Marco seufzte.
»Und über allem thront der große Dragus. Er spielt sich als Wohltäter der Menschheit auf, ist aber in Wirklichkeit ein Mann, dessen Ziel einzig und alleine darin liegt, sich die Welt mittels seiner geblendeten Jünger untertan zu machen. Obwohl er freundlich und nett wirkt, ist er ein grausames und brutales Schwein. Trotzdem lieben seine Jünger ihn. Ja, sie morden sogar in seinem Auftrag. Und sie sind überall - in der Politik, an Schulen, in Firmen, in allen verantwortungsvollen Positionen. Einige tragen stolz die Kleidung der Gruppe, nämlich Kutten, andere wieder benutzen dunkle Anzüge, um neue Jünger zu werben.«
»Ein Schneeball-System der Macht ...«, hauchte April.
Marco nickte. »Eines der schlimmsten Sorte.«
»Und was war mit Fernando?«
»Mein Bruder drehte völlig durch! Die Macht und die Kommuns korrumpierten ihn und machten ihn kalt wie ein Fisch. Er verdingte
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