Eiskalte Angst
sich als Killer, als Mann für das Unmögliche ... Man trainierte seine Psyche darauf. Es war tragisch und ab einem bestimmten Punkt unabänderlich.«
»Und du? Was geschah mit dir?«
»Ich?« Marco lachte hart. »Ich war genauso scharf auf das Ritual wie alle anderen. Ich wurde zum Heiler, zu einem ganz besonders guten Heiler sogar. Ich warb unzählige Jünger und stand vor einer großen Karriere, als ich mich zu verändern begann. Ich hatte die unzähligen Kommuns bemerkenswert gut überstanden, hatte keinen geistigen Schaden davongetragen und erlebte, wie mein geliebter Bruder immer mehr zu einem Monster wurde ... gemacht wurde!«
Marcos Gesicht war eine Maske verhaltener Wut. Seine Wangenmuskeln pochten und seine Augen starrten ins Leere.
»Mitzuerleben, wie sich mein Bruder mehr und mehr veränderte, war unerträglich für mich. Meine Liebe zu Fernando war größer als meine Liebe zur Sekte. Meinem Bruder konnte ich nicht mehr helfen, aber vielleicht war es für andere Menschen noch nicht zu spät. Ich wollte den korrupten Zielen der Oberen und dieses Dragus nicht mehr folgen. Ich verließ die Sekte und werde seitdem gejagt.«
»Sie haben so einen Hass auf dich, dass sie dir sogar deinen eigenen Bruder auf den Hals hetzten?«
»Der Clou kommt ja noch. Heute Abend wird Dragus unter der Mithilfe eines großen deutschen Fernsehsenders vor die Kameras treten und seine Lehre der Welt verkünden. Stell dir vor, was dann geschieht.«
»Mein Gott! Er hat das absolute Argument.«
»Richtig.«
»Er verspricht, alle Krankheiten zu heilen. Er stellt die größte Versuchung dar, die man sich vorstellen kann. Jeder Mensch wird ihm folgen. Jeder wird sich seinen Plänen beugen.«
Marco stellte seine Tasse ab. »Also stellt Dragus eine unglaubliche Gefahr dar. Das ist der Grund, warum er hinter mir her ist. Er weiß, dass ich alles tun werde, um die Fernsehübertragung zu verhindern.«
»Warum nimmt er das an?«
»Er hat einen Helfer - in einer Firma würde man ihn Geschäftsführer nennen - den er seine rechte Hand nennt. Der Mann heißt Licitus und ist durch die Kommuns zu einem Verbrecher geworden. Ich beging den Fehler, Licitus zu warnen. Ich war wütend und unüberlegt.«
»Du willst verhindern, dass noch mehr Menschen ihren Heilern verfallen.«
»Ja.«
»So, wie ich dir verfallen bin ... nicht wahr?«
Eine Zeit lang schwiegen sie.
Marco blickte traurig. »Ich sagte, dass ich dich mag, vom ersten Augenblick an, aber das, was du für mich empfindest, ist nichts anderes, als der Einfluss unter dem du stehst. Du empfindest keine wirklich echte Liebe für mich.«
»Du denkst also, ich bin auch nur ein willenloses Schaf? Wie willst du das wissen? Wie kannst du meine Gefühle zu dir anzweifeln?« April schnellte hoch. Sie hatte lauter gesprochen, als sie gewollt hatte, und der Portier starrte neugierig zu ihnen rüber.
Marco zuckte hilflos mit seinen Schultern. »Ich weiß es.«
»Aber was soll ich dagegen tun?« April schrie fast. Ihre Sinne bebten. Dass alles war zu viel für sie - entschieden zu viel!
»Du kannst nichts dagegen tun, aber ich.«
April setzte sich wieder und zwang sich zur Ruhe. Mit herumbrüllen war hier nichts zu machen. Zuerst galt es das, was sie erfahren hatte, zu verarbeiten.
»Hör zu, April. Ich werde dich verlassen. Ich glaube, es ist nicht mehr nötig, dass ich auf dich aufpasse. Man hat oben auf dem Gletscher genug mit den Vorbereitungen für die TV-Übertragung zu tun. Verstehe doch - ich kann nicht bei dir bleiben! Es wäre falsch.«
»Nein!« April schüttelte wie wild ihren Kopf. »Das lasse ich nicht zu. Wir bleiben zusammen. Du hast mich in diesen Mist hineingezogen und nun löffeln wir die Suppe gemeinsam wieder aus. Wir müssen uns sowieso was einfallen lassen. Immerhin liegt dein Bruder in meinem Zimmer. Das Schicksal hat uns zusammengeführt, also werden wir die Sache durchstehen. Wir werden gemeinsam die Pläne dieses Obermuftis vereiteln!«
Marco schüttelte schweigend den Kopf.
»Warum nicht?« Hilflose Wut stieg in April hoch. »Ich weiß - die Sekte ist mächtig! Ich weiß - wenn wir zur Polizei laufen, wird man uns auslachen - aber es muss einen Weg geben. Irgendetwas wirst du dir ja schließlich ausgedacht haben.«
Marco lehnte sich zurück schloss seine Augen. Nach einer Ewigkeit spielte ein hartes Lächeln um seine Lippen. Er lehnte sich vor und blickte April an. »Okay, mutige Frau! Du kannst mir tatsächlich helfen. Ich habe eine ziemlich verrückte
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