Eiskalte Rache: Thriller (German Edition)
nur ein Witz«, sagte Koster. »Ja, ich beschäftige mich mit Behindertensport. Genauer gesagt bin ich Trainer und vieles mehr. Wir haben hier eine Menge talentierter Sportler.«
»Es kann nicht ganz einfach sein … ich meine, an den Rollstuhl gefesselt zu sein und an Wettkämpfen teilzunehmen.«
»Wieso? Wie meinen Sie das?«
»Ach, ich weiß eigentlich gar nicht, was ich meine.«
Wie ich mich auch ausdrücke, ist es verkehrt, dachte Holtz.
»Keine Sorge. Das ist nur meine ironische Art. Die meisten Leute benehmen sich seltsam, wenn sie jemandem im Rollstuhl begegnen, außerdem heißt es nicht, an den Rollstuhl gefesselt. Wie Sie sehen können, trage ich keine Fesseln.«
»Spielt es denn eine Rolle, wie man sich ausdrückt, meine ich?«
»Was soll ich sagen. Einige von uns kränkt es, wenn sie als jemand gesehen werden, der im Rollstuhl festsitzt. Als wären der Mensch und der Rollstuhl eins, aber so ist es nicht, zumindest für die meisten von uns nicht.« Koster streckte die Hand nach der Teekanne aus und hob fragend die Augenbrauen.
Holtz nickte und hielt ihm seinen leeren Becher hin. Die Elektroheizkörper summten, und bösartig rotleuchtende Lampen signalisierten, dass sie in Betrieb waren. In der trockenen Wärme spannte die Haut seines Gesichts. Die Wärme schien jedoch nicht auszureichen, um die Feuchtigkeit zu vertreiben. Holtz fielen die Flecken auf den aus Sperrholzplatten zusammengezimmerten Wänden auf. Der PVC -Boden hatte auch schon bessere Zeiten erlebt. Es roch verschimmelt.
»Ist das hier eigentlich ein großer Verein?«
»Nein. Es gibt etwa fünfzig zahlende aktive Mitglieder und einige wenige Fördermitglieder. Wir haben ein Sommerlager für Behindertensportler, und dann kommen viele auch einfach so. Aber die Finanzen sind angestrengt. Die Gemeindeverwaltung überlässt uns das Gelände mietfrei, und wir bekommen auch Geld von verschiedenen Behindertenverbänden. Es gibt natürlich Mitgliedsbeiträge, aber mit dem Eintreiben hapert es.«
»Und Sie? Werden Sie entlohnt?« Marcus Koster lachte. Er hatte ein warmes und charmantes Lachen, aber Holtz spürte einen Unterton der Trauer.
»Alles ehrenamtlich. Ich zahle sogar noch drauf, damit der Verein in Gang bleibt.«
»Sie bezahlen?«
»Ja. Indirekt zumindest. Alles was Sie hier sehen, habe ich angeschafft. Alle Möbel, die Kücheneinrichtung, die Küchenutensilien.«
Ulf Holtz blickte in seine Tasse und fühlte sich aus unerklärlichen Gründen schuldig.
»Warum tun Sie das alles?«
»Manchmal frage ich mich das auch, aber wenn man das Strahlen in den Augen der Anfänger sieht, die merken, dass sie das genauso gut oder vielleicht sogar besser können als Leute, die gehen können, dann versteht man, warum. Einige, die hier ernsthaft trainieren oder auch nur gelegentlich schießen, waren durch ihre Behinderung jahrelang wie gelähmt. Sie waren allein mit ihrer Angst, manchmal schämten sie sich, manchmal waren sie deprimiert. Dann kommen sie hierher in diese heruntergekommene, muffige Baracke und sehen sich eingebunden in eine Gemeinschaft. Das ist doch was!« Er strahlte auf eine Art, die nur sehr engagierten Menschen eigen ist.
Ulf Holtz überlegte, was er selbst unternahm, um anderen Menschen eine Freude zu bereiten. Nichts, konstatierte er düster.
»Könnte ich Ihnen bei irgendetwas helfen?«, fragte er.
Marcus Koster nickte kurz, antwortete aber nicht. Stattdessen begann er methodisch die Reste der Kaffeetafel abzuräumen, indem er, alles auf dem Schoß balancierend, mit ein paar kräftigen Armbewegungen vom Tisch zurücksetzte. Der Rollstuhl beschrieb eine elegante Kurve, und Koster begab sich in die Küche, um zu spülen.
Holtz erhob sich langsam, zog seine Jacke an und sah auf die Uhr. Fast Mitternacht.
»Ich glaube, ich fahre jetzt nach Hause. Kann ich vorher noch die Toilette benutzen?«
»Natürlich. Sie finden doch den Weg?«
»Klar«, erwiderte Holtz und ging in den hinteren Raum, in dem er einige Tage zuvor Koster auf dem Fußboden gefunden hatte.
Das Badezimmer war ungewöhnlich groß. Es war sauber und roch angenehm, leicht süßlich. Ein weißes Metallgestänge ragte neben der Toilette von der Wand, damit die Rollstuhlfahrer sich daran abstützen konnten. Er sah sich nach einem Alarmknopf um, wie es sie in allen Behindertentoiletten zu geben pflegte, fand aber keinen. Alarmknöpfe vermittelten ihm ein Gefühl der Sicherheit. Immer wenn er unbekannte Toiletten aufsuchte, stellte er sich vor, was geschähe,
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