Eiskalte Rache: Thriller (German Edition)
neigte sich vom Meer weg.
Pia Levin parkte ihren Wagen vor der Mauer neben einem gepflegten, älteren Land Rover. Sie ging auf das Haus zu und atmete die kalte, salzige Meeresluft ein.
Sie wusste nicht recht, was sie eigentlich erwartet hatte, aber sie sah rasch ein, dass Thord Seger nichts mit dem Bild gemeinsam hatte, das sie sich von dem Vater eines Neonaziführers gemacht hatte.
»Treten Sie ein, ich habe Sie kommen sehen. Willkommen«, sagte er, nahm ihr den Mantel ab und hängte ihn an einen Haken. Er trug eine Cordhose, ein weißes, sorgfältig gebügeltes Hemd und eine Wolljacke, die zu der Hose passte. Er hatte nur noch wenige graue Haare, und seine Glatze verlieh ihm einen intelligenten und gelehrten Eindruck. Er war größer als Pia Levin und wirkte recht fit. Außerdem hatte er eine auffällige Stimme. Sie war leise, aber trotzdem füllte sie das ganze Zimmer.
»Nicht groß, aber für Lord Nelson und mich reicht es.« In diesem Moment trottete ein schwarz-weißer Hund auf sie zu. »Ich hoffe, Sie haben keine Hundeallergie?«
»Nein, soweit ich weiß, nicht. Was ist das für eine Rasse?«
»Ein flatcoated Retriever. Wir sind schon lange ein Paar.«
Der Hund schnupperte zerstreut an Pia Levin und trottete dann mit langsamem Schwanzwedeln an seinen Platz zurück.
»Gut erzogen ist er jedenfalls und fröhlich«, sagte Levin, und Thord Seger lächelte.
»Danke. Kann ich Ihnen etwas anbieten?«
Sie hätte fast abgelehnt, überlegte es sich dann aber anders.
»Gerne. Kaffee, wenn Sie haben.«
Das Zimmer war nicht groß und kontrastierte stark mit dem Äußeren des Hauses. Ein Feuer brannte in einem eckigen offenen Kamin aus Glas, der über dem bernsteinfarbenen, geölten Holzfußboden zu schweben schien. Der Glaskasten mit dem Feuer darin hing an einem geschwärzten Rohr von der Decke. Levin kannte sich mit exklusivem Design nicht sonderlich gut aus, aber ihr war klar, dass die Möbel, die sie vor sich sah, keine Dutzendware waren. Zwei schwarze Sessel aus Leder und verchromtem Stahl standen vor einer verglasten Wand Richtung Meer. Eine andere Wand wurde von einem randvoll gefüllten Bücherregal eingenommen.
»Schließlich muss es nicht spartanisch sein, auch wenn das Haus schon über hundert Jahre alt ist, oder?«
Pia Levin nickte nur und betrachtete das Schauspiel vor dem Fenster, das von einer Lampe an der Fassade erleuchtet wurde. Nur wenige Meter vor dem Haus lag ein Steg, der von Wellen mit weißen Schaumkronen umspült wurde. Eine einsame Möwe saß auf einem windgepeinigten, von Vogeldreck weißen Poller und blickte übers Meer.
»Sehen Sie sich ruhig um, während ich den Kaffee koche.« Thord Seger verschwand außer Sicht.
Pia Levin betrachtete das Meer in der Dunkelheit da draußen und überlegte, wie sie beginnen sollte. Sie hatte Thord Seger vor einigen Stunden angerufen und ihren Besuch angekündigt. Er hatte gesagt, sie dürfe gerne vorbeikommen, aber erst am Abend, da er tagsüber beschäftigt sei. Bereits da hatte sie ein Gefühl der Unwirklichkeit überkommen. Etwas in seinem Tonfall hatte sie verunsichert.
Als er mit einem Tablett mit warmen Scones und einer Kanne Tee zurückkehrte, betrachtete sie gerade die Bücher im Regal.
»Die Tage und Nächte sind hier lang und einsam. Lord Nelson und die Bücher sind meine einzige Gesellschaft«, sagte er.
Sie drehte sich überrascht um und hatte das unerklärliche Gefühl, etwas Unerlaubtes getan, herumgeschnüffelt zu haben.
»Sie haben wirklich viele Bücher. Haben Sie sie alle gelesen?«
»Nein, aber fast. Kommen Sie. Nehmen Sie doch Platz. Ich habe Tee statt Kaffee gekocht. Ich hoffe, das ist Ihnen auch recht. Tee passt besser zu Scones, nicht wahr?«
Sie nickte und setzte sich an den Tisch, der aus einem matten, gemaserten Holz gefertigt war. Die Stühle waren leicht und hell.
»Entschuldigen Sie, dass ich gleich zur Sache komme, aber ich habe einige Fragen, die Ihren Sohn betreffen«, sagte Pia Levin versuchsweise, nachdem sie jeder einen Scone mit Marmelade gegessen hatten. Der Tee war stark und gut.
»Das ist mir klar. Was wollen Sie wissen?«
Pia Levin bereute, dass sie ihm nicht sofort ihr Beileid ausgesprochen hatte. Jetzt kam es ihr dafür irgendwie zu spät vor, als sei es nichts mehr wert, wenn man zu lange gewartet hatte. Sie öffnete ihre Mappe und überflog die erste Seite, schlug sie dann jedoch energisch wieder zu und legte ein Tonbandgerät auf den Tisch.
»Haben Sie etwas dagegen, dass ich das Gespräch
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