Eiskalte Rache: Thriller (German Edition)
alt ist, leidet unter Atemnot. Er schreit nicht, sondern ist fast leblos. Sein Kopf hängt herab. Die jungen Eltern haben Angst. Der Vater, ein blonder, durchtrainierter Jüngling, trägt das Kind auf dem Arm. Die Mutter eilt hinter ihm her in die Notaufnahme. Sie schreit. Eine Krankenschwester rennt herbei, und dann geht alles ganz schnell. Das Ärzteteam kümmert sich um den Jungen und verschwindet mit ihm aus der Sicht der Eltern. Das dunkle Haar der Mutter hängt vor ihren Augen, die von mit Tränen vermischtem Make-up umrahmt sind. Sie weint verzweifelt, bis sich eine Schwester um sie kümmert, ihr ein Beruhigungsmittel verabreicht und sie in den Arm nimmt. Das heilsame Zusammenspiel von Mitmenschlichkeit und einem Beruhigungsmittel bringt sie schließlich dazu, sich auf eine Pritsche im Warteraum zu legen. Die Schwester streicht ihr über die Wange und redet tröstend auf sie ein. Vielleicht verspricht sie ihr, alles werde wieder gut. Gabriel werde durchkommen. Welch schrecklicher Unfall. Es sei nicht ihre Schuld, es sei ein Unfall.
Der Vater, der junge Seger, sagt nichts. Er starrt nur auf die Tür, durch die die Ärzte mit seinem Kind in das Labyrinth des Krankenhauses verschwunden sind. Er schweigt und starrt. Die Schwester versucht, mit ihm zu sprechen, aber er sieht sie nur mit abwesendem Blick an und wendet sich dann wieder zur Tür mit der Milchglasscheibe und der Aufschrift: »Kein Zutritt für Unbefugte«.
Die Zeit vergeht.
Die Tür wird geöffnet, und ein Arzt in weißem Kittel erscheint aus dem mysteriösen Inneren. Mit unergründlicher Miene sieht er sich im Warteraum um. Schließlich begegnet er Johan Segers Blick. Er geht sofort auf die Schwester zu, die neben der Mutter sitzt. Leise spricht er mit ihr, und sie dreht sich zu Johan Seger um. Sie sieht ihn an, sagt aber nichts. Dann geht sie zu der kleinen Empfangstheke und greift nach dem Telefon. Die Schwester streckt ein Bein nach hinten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, während sie sich über die Theke beugt. Sie zieht das Telefon zu sich heran, wählt eine Nummer und spricht leise. Die junge Mutter ist auf der Pritsche eingeschlafen. Das schwarze Haar hängt vor ihrem Gesicht. Johan Seger geht plötzlich auf die schlafende Petra zu und betrachtet sie. Er steht ein paar Sekunden so da, dann setzt er sich ganz außen auf die Kante der Pritsche.
Und wartet.
Die beiden Polizisten, die durch die Tür kommen, tragen Uniform. Einer von ihnen nimmt die Mütze ab, der andere behält sie auf, während er sich mit dem Arzt unterhält, der nach längerer Abwesenheit wieder auf der Bildfläche erschienen ist.
Der Beamte ohne Mütze nähert sich langsam Johan Seger, der immer noch wie sprungbereit auf der Pritschenkante sitzt. Petra Jonsson schläft tief. Er bittet Johan, ihn zusammen mit dem Arzt in ein Nebenzimmer zu begleiten. Er müsse sich um Petra keine Sorgen machen, sie sei in guten Händen.
Wortlos folgt er dem Polizeibeamten und nimmt auf Aufforderung an einem Tisch Platz. Der Arzt befragt Johan mit finsterer Miene über die Vorkommnisse. Wie hat sich der Junge die Verletzungen zugezogen? Langsam und sorgfältig macht er sich Notizen und bittet Johan gelegentlich, das Gesagte zu wiederholen.
Als Johan Seger geendet hat, erläutert der Arzt, dass die Verletzungen des Jungen nicht wie von Johan beschrieben entstanden sein könnten. Die eingedrückten Lungen und die blauen Flecken auf Hals und Rücken ließen eindeutig auf Misshandlung schließen. Ob der Junge überleben werde, sei ungewiss, und wenn ja, würde er wahrscheinlich bleibende Schäden davontragen. Das Gehirn sei geschädigt. Vielleicht werde der Junge nie gehen können. Vielleicht werde er erblinden.
Johan Seger zeigt keine Gefühle. Er sagt nur, er könne den Worten des Arztes nicht folgen, alles sei so gewesen, wie er es erzählt habe. Er wolle seinen Sohn sehen. Wolle ihn anfassen, den kleinen, weichen Körper spüren und ihn im Arm halten.
Er darf es nicht. Der Beamte fordert ihn auf, ihn zu begleiten.
Er bittet darum, Petra wecken und ihr alles erklären zu dürfen, ihr sagen zu dürfen, alles sei ein Missverständnis. Sie solle schon nach Hause fahren, er komme nach.
Er darf sie nicht wecken und auch nicht seinen Sohn sehen.
Das sind für ein ganzes Jahr Johan Segers letzte Stunden in Freiheit. Er wird seinen Sohn nie wiedersehen.
Die Verhandlung gegen ihn ist unkompliziert. Die Aussage des Arztes und die dokumentierten Verletzungen des Jungen reichen für
Weitere Kostenlose Bücher