Eiskalte Rache: Thriller (German Edition)
wie Sie sich sicher vorstellen können. Nicht mit so einer Arbeit.«
»Sie haben Johan Seger in jenem Sommer kennengelernt?«
»Alle hielten es für einen Zufall, aber ich wusste genau, was ich tat«, sagte Petra.
»Und zwar?«
»Johan war die Zukunft des Dorfes. Der Arztsohn, mit dem alle befreundet sein wollten. Die Mädchen des Dorfes prügelten sich förmlich um ihn.«
»Sie auch?«
»Zu Anfang nicht.«
»Aber dann?«
»Es begann eher als Scherz oder als Experiment. Ich wollte sehen, ob er sich für mich interessiert. Am Anfang haben wir uns nur gegenseitig aufgezogen. Aber ohne dass ich es wusste, war etwas zwischen uns geschehen.«
»Sie verknallten sich?«
»Das ist nicht das richtige Wort. Es war die große Liebe. Wir wurden voneinander angezogen und konnten nicht genug voneinander bekommen. Verstehen Sie, was ich meine? Ist Ihnen das auch schon einmal passiert?«
Die Frage überraschte Levin, und sie wusste nicht, was sie antworten sollte. Sie spürte, dass sie errötete. Aber Petra fiel das nicht auf. Sie schien sich auf ihre Erinnerungen zu konzentrieren.
»Die meisten hätten es wohl als jugendliche Unvernunft oder als Sommerliebelei abgetan, aber es war viel mehr. Es war wahre und reine Liebe«, sagte sie und trank einen Schluck Kaffee.
Trauer schwang in Petras Stimme mit, als sie von dem Sommer erzählte, der alles verändert hatte. Von dem Glück, das sich in eine Tragödie verwandelte.
»Ich bin nie von hier weggekommen. Bin gewissermaßen hängengeblieben. Seltsam, nicht wahr?«
»Ich weiß nicht. Sie haben ja durchaus einen Bezug zu dieser Gegend. Oder?«
»Vielleicht kann man das sagen.«
»Treffen Sie eigentlich gelegentlich Ihren ehemaligen Schwiegervater?«
»Es lässt sich nicht vermeiden, dass ich ihm ab und zu begegne, aber wir treffen uns nicht. Jedenfalls nicht so.«
»Weil Sie das nicht wollen?«
Sie schwieg einen Augenblick und fuhr dann fort.
»Er will nicht«, sagte sie, leerte ihre Tasse und verzog das Gesicht. »Der schmeckt nicht sonderlich gut.«
Aus irgendeinem Grund hatte Levin geglaubt, dass Petra die Segers nicht treffen wollte. Sie tadelte sich selbst, weil sie sich durch Vorurteile hatte aus dem Gleichgewicht bringen lassen.
»Ich habe versucht, Kontakt mit ihm aufzunehmen, aber er wollte nichts von mir wissen.«
Petra verstummte.
»Ich glaube, das genügt jetzt. Ich habe noch einiges zu tun«, fuhr sie dann mit angestrengter Stimme fort.
»Nur noch eine Frage.«
Petra hatte bereits damit begonnen, die Tassen abzuräumen und sie in den inzwischen leeren Gebäckkorb zu legen.
»Wie waren Ihre Gefühle Johan gegenüber? Nach allem, was geschehen war, meine ich.«
Petra hob langsam den Blick von den Tassen und sah Levin lange in die Augen. Dann sagte sie:
»Ich empfand natürlich Abscheu. Aber ich habe ihn trotzdem geliebt. Daran wird sich nichts ändern. Ich habe nie aufgehört, ihn zu lieben.«
»Und Gabriel?«
Ihre Augen verdunkelten sich.
»Ich weiß nichts über Gabriel«, antwortete sie wütend.
E llen Brandt saß in der tiefen Fensternische in Holtz’ Büro und ließ die Beine baumeln. Sie trug einen karierten Rock und dicke, graue Kniestrümpfe.
»Okay«, sagte sie und vollführte mit den Händen eine abwehrende Bewegung. »Ihr habt jetzt eure Brandanalytikerin. Aber nur für ein paar Tage. Sie ist nur vorübergehend hier, strapaziert sie also nicht allzu sehr.«
Holtz hatte ihr gerade lang und breit erklärt, wie wichtig es sei, den niedergebrannten Adlerhorst zu untersuchen und vor allem die Brandursache zu ermitteln. Er selbst wolle sich um die verkohlte Leiche kümmern, außerdem sei es höchste Zeit, alle Spuren, die dort vor Ausbruch des Brandes sichergestellt worden seien, zusammenzustellen. Er habe also wirklich alle Hände voll zu tun. Pia Levin habe sich widerwillig bereit erklärt, sich weiterhin mit der Vergangenheit der Familie Seger auseinanderzusetzen. Ihr könne man also wirklich nicht noch mehr Arbeit aufbürden.
»Wie kommt sie voran?«, wollte Brandt wissen.
»Gut, sie ist zwar richtig sauer, weil ich ihr die Vernehmungen aufgebürdet habe, aber sie macht es trotzdem.«
»Und? Hat sie etwas herausgefunden?«
»Sie will versuchen, Gabriel ausfindig zu machen.«
»Den misshandelten Jungen? Warum ist das so wichtig?«
»Ich weiß nicht. Pia meint, dass wir ihn finden sollten, obwohl es gegen alle Grundsätze verstößt, ein adoptiertes Kind aufzusuchen.«
»Er kann doch wohl inzwischen kein Kind mehr
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