Eiskalte Verfuehrung
der Kerl zu durchschauen, was sie im Schilde führte, denn er hob die Schlampe hoch und machte mit ihr einen Satz in den Wald. Ein Dunstschleier aus Hass vernebelte Nikis Augen. Die zwei würde sie sich mit Sicherheit nicht entgehen lassen, verdammt, diese paar Scheißbäume würden sie bestimmt nicht aufhalten. Sie mussten bezahlen. Sie mussten dafür bezahlen, dass sie Darwin umgebracht hatten. Lorelei musste dafür bezahlen, dass sie sich durch ihre Flucht durch das Fenster im ersten Stock über sie lustig gemacht hatte; sie musste dafür bezahlen, dass sie Darwin angemacht hatte, bis der an nichts anderes mehr denken konnte, als ihr an die Wäsche zu gehen. Sie würde die beiden kriegen und sie gegen einen Baum schleudern, ihre Körper dort zerschmettern. Und sie würde lachen, während die zwei verendeten. Das wollte sie. Sie wollte das ebenso sehr, wie sie ihren nächsten Trumpf ausspielen wollte, in nur ein paar Minuten, sobald sie diese kleine Aufgabe abgehakt hatte.
Die Zufahrtstraße führte nun steiler nach unten, bis zur ersten scharfen Kurve. Niki achtete kaum auf den Straßenbelag; sie hatte ihre Aufmerksamkeit auf den Punkt gerichtet, wo die beiden im Wald verschwunden waren. Sie drehte das Steuer nach links, und der Wagen brach rechts seitlich aus. Fluchend steuerte sie gegen, um das Fahrzeug wieder zu stabilisieren. Der alte Blazer reagierte, dann schwang das Heck herum, und verdammt, jetzt schleuderte sie nach links. Wütend rang sie mit dem Auto. Wie zum Teufel sollte sie ihre Pläne umsetzen, wenn dieser verdammte Karren nicht wieder geradeaus fuhr? Wozu taugte ein Vierradantrieb, wenn er auf Eis nicht funktionierte? Sie riss das Steuer nach links, und die beiden rechten Reifen verloren den Bodenkontakt.
»Scheiße!«, kreischte sie, denn es wurde ihr plötzlich klar, wie nah das Ende der Straße und der steile Abhang auf der anderen Seite der Zufahrt waren. »Scheiße!«
Der Blazer kam wieder auf alle vier Räder; die großen Reifen versuchten, Bodenhaftung zu bekommen, drehten auf dem Eis jedoch hoffnungslos durch. Der Wagen schlitterte und drehte sich, ohne dass sie irgendetwas ausrichten konnte, um die eigene Achse, immer und immer wieder, und gewann an Tempo, als er auf den Abgrund zurutschte. Niki drängte sich plötzlich der absolut irre Gedanke auf, dass das Ganze etwas von einer Fahrt mit dem Teetassen-Karussell in Disneyland hatte.
Sie schrie auf, aus Wut und Angst vor dem ungerechten, blöden Eis, dann verloren die Reifen des Balzer endgültig den Bodenkontakt, und sie kippte seitlich um.
Lolly krallte sich an Gabriels nassem Mantel fest, während sie zusah, wie der Blazer mit einem Mal aus ihrem Blickfeld verschwand. Es folgte ein kurzer Augenblick, in dem alles still war, dann das schreckliche Aufkreischen von Metall, das zertrümmert und zerbeult wird.
»Ach du meine Güte!«, sagte sie zuerst geschockt, um dann hinzuzufügen: »Gut!«
Sie glaubte nicht, dass sie plötzlich ein schlechter Mensch war, nur weil ihre erste instinktive Reaktion Erleichterung war. Darwin war tot, und Niki war mit ihrem Auto über den Fahrbahnrand den Berg hinuntergeschossen. Zum ersten Mal seit Stunden – sie waren ihr wie Tage vorgekommen – war Lolly plötzlich klar, dass der Schrecken nun ein Ende hatte. Ihr war kalt bis auf die Knochen, sie zitterte, sie war geschockt … aber sie waren in Sicherheit.
»Bleib da«, wies Gabriel sie an, während er eine erheblich größere Taschenlampe aus seiner Jackentasche zog, sie einschaltete und dann vorsichtig auf die Straße hinaustrat.
Er war für sie in den letzten paar Stunden ein Fels in der Brandung gewesen. Alles in ihr protestierte, sich auch nur ein paar Sekunden von ihm zu trennen, aber sie tat, wie geheißen. Es machte keinen Sinn, wenn sie beide nachschauen gingen. Davon abgesehen, konnte sie kaum gehen, so kalt war ihr. Sie wollte sich nur hinsetzen und die Augen schließen.
Der Straßenbelag war noch tückischer geworden, die Eisschicht noch dicker. Gabriel rutschte mehrmals aus, fand aber wieder ins Gleichgewicht und hielt sich auf den Beinen. Lolly stieß einen Seufzer der Erleichterung aus, als er die andere Straßenseite erreichte und mit seiner Taschenlampe den Abhang hinunterleuchtete.
Nach einer guten Weile kämpfte er sich wieder die Zufahrtstraße zu Lolly hinauf. Er schaltete die Lampe aus, verstaute sie in der Manteltasche und nahm nun die schwächere Taschenlampe zur Hand. »Der Blazer ist an die fünfzig Meter
Weitere Kostenlose Bücher