Eiskalte Verfuehrung
erholen. Na komm, trocknen wir uns ab.«
Sie war noch ein bisschen wackelig auf den Beinen, aber sie fühlte sich viel besser, fast so wie immer. Es war ihr ein bisschen peinlich, so nackt vor ihm zu stehen, was unter den Umständen ganz schön albern war; aber ihr liefen die Wangen rot an, als sie aus der Dusche trat und schnell zum Wäscheschrank ging, wo sie sich zwei Handtücher griff. Sie warf ihm eines zu und fing dann an, sich rasch abzutrocknen, nah am Heizkörper.
»Ich habe ein paar Dosen Suppe in der Küche«, sagte sie und versuchte, dabei so normal wie nur möglich zu klingen.
»Hört sich gut an.« Gabriel rubbelte sich mit dem Handtuch die Haare trocken, dann hielt er inne, um einen Blick auf die kalten, nassen Klamotten auf dem Boden zu werfen. »Dein Vater hat wohl nicht zufällig ein paar Kleidungsstücke dagelassen?«
»Nein«, sagte sie. »Vor ein paar Jahren wurden all seine persönlichen Sachen entsorgt.« Dann lachte sie. »Er ist fünfzehn Zentimeter kleiner als du, und in der Taille bringt er es auf fünfundzwanzig Zentimeter mehr Umfang. Ich glaube nicht, dass dir von seiner Kleidung etwas gepasst hätte. Wir hängen deine Klamotten vor eine der Heizungen, dann müssten sie bis morgen früh trocken sein.«
»Na prima.« Mit rauer Stimme sagte er: »Bis dahin werde ich dann also mit nacktem Hintern dasitzen.«
»Mir macht das nichts aus«, erwiderte sie und lächelte ihn an. »Wir haben doch Decken, mehrere Heizkörper, diverse gasbeheizte Kamine, jede Menge Kerzen und diese Dosensuppen, von denen ich dir erzählt habe. Und Nescafé ist auch noch da.«
Seine Augen strahlten, als das Wort »Kaffee« fiel, selbst bei Nescafé. »Wunderbar.«
»Ich bin total ausgehungert«, erklärte Lolly, wobei ihr plötzlich bewusst wurde, wie wahr diese Worte waren.
Es wurde ihr auch bewusst, dass sie nichts dagegen einzuwenden hätte, mit Gabriel ein paar Tage lang im Haus festzusitzen. Nach dem, was gerade unter der Dusche passiert war, so natürlich, dass sie kaum Zeit zum Nachdenken gehabt hatte, musste sie sich nicht groß überlegen, wie sie sich die Zeit vertreiben würden.
Welch erstaunliche Wendungen das Leben doch nehmen kann, ging es ihr durch den Kopf. Das hätte sie nie geahnt; nie hätte sie gedacht, dass sie sich mit ihm je so wohlfühlen könnte – oder dass ausgerechnet mit ihm Sex so schön wäre.
Heiliger Himmel. Gabriel McQueen.
11
Niki kauerte in einer dunklen Ecke der Küche auf dem Boden, hörte, wie oben das Wasser lief, während sie versuchte, sich zu zwingen, ihr Frösteln in den Griff zu bekommen. Sie lauschte angestrengt, um besser zu hören. Es war nicht sicher, ob die beiden zusammen waren, wahrscheinlich war es allerdings schon. Einer von ihnen konnte im Wohnzimmer sein, in einem anderen Zimmer im ersten Stock oben … oder gleich um die Ecke.
Ob sie wussten, dass sie hier war? Hatten sie sie gehört?
Als sie vor einer Weile das Haus erkundet hatten, bevor alles schiefgegangen war, hatte Darwin den Windfang und die rückwärtige Veranda auf Sachen hin inspiziert, die sich einfach so mitnehmen und verhökern ließen, wenn ihnen das Geld ausging, das sie von der Helton-Schlampe bekamen. Er hatte natürlich nicht den geringsten Mist gefunden, aber das war jetzt nicht so wichtig. Als Niki den eisigen Hang hinaufgekrochen war und fieberhaft Pläne für die Nacht geschmiedet hatte, fiel ihr ein, dass Darwin sich nicht die Mühe gemacht hatte, die Hintertür wieder abzusperren. Also hatte sie ohne Mühe in das Haus eindringen können.
Ihr war kalt, sie zitterte, und alles tat ihr weh. Sie hatte sich in diese Ecke vorgetastet, in der sie jetzt hockte, und gelauscht. Das Erste, was sie dann gehört hatte, war das laufende Wasser gewesen, und somit war klar, dass zumindest einer der beiden sich im ersten Stock oben aufhielt.
Das Wasserrauschen hörte auf, und einen Moment später vernahm Niki schwache Stimmen, zwei. Sie wusste nicht zu sagen, worüber sie redeten, aber diese Stimmen gaben ihr zumindest die Sicherheit, dass ihr niemand um die Ecke auflauerte; beide waren oben. Eine Woge der Erleichterung durchfuhr sie. Sie konnte wieder atmen. Sie konnte denken.
In diesem Haus befand sich kaum etwas, das sich als Waffe benutzen ließ, denn schließlich war ihr ja keinerlei Munition mehr geblieben. Aber wo ließe sich besser eine Waffe auftreiben als in der Küche? Niki zwang sich aufzustehen; sie ignorierte Schmerzen und Kälte einfach. Ihre Hände waren so kalt,
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