EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)
du erfahren hast, was er als Kind erdulden musste?“, fragte Mathilda ihren Mann wenige Tage später, als sie vor dem Kamin auf der Couch saßen und das knisternde Feuer beobachteten.
„Ich bin Polizist“, sagte er, „ich verbringe mein Leben damit, Schuld zuzuweisen. Kreiler hat mich absichtlich hinters Licht geführt, was Anna betraf. Erst durch Robert bin ich auf den Zusammenhang aufmerksam gemacht worden. Und außerdem kann ich nicht so tun, als sei es Zufall gewesen, dass Annas Therapie in eine fatale Richtung gelenkt wurde, und ich weiß nicht, inwieweit ich dafür Verantwortung trage.“
„Du hast wegen Anna Schuldgefühle, weil du Kreiler deine Hilfe angeboten hast. Und durch diese Akte wurde er an die Greueltaten seiner Kindheit erinnert. Das ist der entscheidende Punkt. Du hast Anna zwar in eine üble Situation gebracht, doch das konntest du nicht wissen. Diese Lage wäre auch ohne Kreilers Akteneinsicht entstanden. Vielleicht hast du ihr sogar das Leben gerettet, indem sie nun endlich mit der Vergangenheit abschließen kann.“
„Das mag schon sein, aber ich löste damit diese irrsinnige Mischung aus Wut und Wahnsinn aus, die einen Menschen dazu brachte, andere Menschen töten zu lassen.“
Mathilda sah ihn ernst an. „Dafür hat er seine Strafe erhalten, Liebling.“
„Ich weiß.“
„Auch ich fühle mich schuldig. Ich habe Anna nicht ernst genommen, wenn sie mir sagte, dass sie das Gefühl habe, jemand würde sie beobachten. Erst war es dieser …“ Mathilda schüttelte sich. „Und dann hat Kreiler diesen Part übernommen. Das wird mir nie wieder passieren.“
„Kreiler hatte bei den Morden seine Finger im Spiel. Nicht als Täter, aber er hat jemanden beauftragt, diese Menschen umzubringen. Und den Gärtner hat er eigenhändig umgebracht. Wir werden wohl nie erfahren, wie tief er in die Sache verstrickt war, außer wir fassen den Verdächtigen, der die blonden Haare an den Tatorten hinterlassen hat. Aber Kreiler hätte den Rest seines Lebens in der Psychiatrie verbringen müssen, wenn er überlebt hätte.“
„Er war ein bemitleidenswerter Mensch. Ob wir ihm irgendwann verziehen hätten? Vielleicht. Jedenfalls hat Anna Lukas verziehen. Aber wir werden jetzt besser auf sie achten müssen. Und auch auf Max. Er trinkt in letzter Zeit zu viel.“
„Was würde ich bloß ohne dich machen, Mathilda?“
„Ich muss dir etwas gestehen“, sagte sie leise. „In letzter Zeit hatte ich selbst sogar das Gefühl, beobachtet zu werden.“
Er nahm sie in den Arm. „Seltsam, dass du das sagst. Robert Hirschau teilte mir vor einigen Tagen im Rahmen der Ermittlung ein paar Dinge mit, die bei mir ein seltsames Gefühl der Angst auslösten. Wir leben in einer schrecklichen Welt, sagte er. Und plötzlich hatte ich Angst, dass dir etwas zustoßen könnte. Allein den Gedanken daran ertrage ich nicht. Aber Robert sagte auch …“
Mathilda unterbrach ihren Mann, indem sie den Zeigefinger auf seine Lippen legte. „Benedikt, ich liebe dich! Und was gab Robert sonst noch so von sich, außer dieser Psychopathenscheiße?“
Er lachte. „Er sagte auch, dass Phobien nicht ansteckend sind.“
„Oh! Hört, hört! Er hat was gut bei mir! Ich …“ Plötzlich stockte sie und verzog schmerzhaft das Gesicht.
„Was ist denn, Mathilda?“, fragte er besorgt.
„Ich glaube, du wirst in Kürze die Gebrüder Klitschko in deinen Armen wiegen können.“
***
Ein Hotelzimmer nahe der polnischen Grenze. Pawel Kubanek schloss seine Augen, streckte sich und atmete tief den neuen Morgen ein. Dann fiel er in den Schatten eines Traums.
Er schlug seine Augen auf und sah eine atemberaubend schöne Frau mit rotem Haar, strahlend smaragdgrünen Augen und makelloser Elfenbeinhaut neben sich knien.
„Wer bist du?“, fragte er.
Als sie sprach, tat sie es mit der sanftesten Stimme, die er je gehört hatte. „Die, die ich sein soll, die, die du haben möchtest.“
Mit einem Mal wusste er, wo er war. Aber konnte man nicht auch aus den Worten einer Hure im Bordell eine elegante Metapher für Liebe herauslesen?
„Du bietest mir deinen Schoß an?“, fragte er und befahl seiner inneren Stimme, die Wildnis in ihm zum Schweigen zu bringen.
„Nein, er steht dir nicht zu. Er gehört dir nicht.“
Wie recht sie doch hatte. Er dachte, er hätte endlich eine verwandte Seele gefunden, jemanden, der seinen speziellen Platz in dieser Welt, seine spezielle Bürde, verstand. In Dürrezeiten musste man neue Brunnen
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