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EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)

EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition)

Titel: EISKALTER SCHLAF: Poesie des Bösen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Korten
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sich absolut sicher.
    Rasch schloss er die schwere Eichentür seines Hauses auf und verriegelte sie von innen. Dann schob er die Gardine ein wenig beiseite und spähte durchs Fenster, das ihm einen Blick auf das gesamte Häuserensemble an der Kirchtreppe ermöglichte. Nichts. Die Gasse war menschenleer.
    Am Anfang der ruhigen kleinen Straße lag eine mit Brettern vernagelte Kneipe, an ihrem Ende ein kleiner Antiquitätenladen. Ansonsten war sie von alten Fachwerkhäusern gesäumt, eine Kleinstadtidylle, in der sich gegen Abend Kinder auf ihren Fahrrädern austobten. Biljano wusste, dass sich die Familien hier schon immer ziemlich sicher gefühlt hatten. Und genau das war der Grund, weswegen er selbst sich hier niedergelassen hatte.
    Er zog seine Schuhe aus, stellte sie in den Dielenschrank und steckte seine Füße in braune Filzpantoffeln. Dann schlurfte er ins Schlafzimmer, legte sich aufs Bett und grübelte.
    Die Vorhänge seines Hauses blieben tagsüber geschlossen. Der Putzfrau hatte er wegen der Schwierigkeiten, die sie machte, vor drei Wochen gekündigt, und allmählich türmte sich das Geschirr in der Küche. Sie hatte in seinen Sachen herumgeschnüffelt und ihn irgendwann gefragt, ob der Kandinsky an der Wand über seiner Couch echt sei.
    Verdammt, hatte er gedacht. Wenn jemals herauskäme, dass er das Bild und auch andere wertvolle Gegenstände damals aus Kollmanns Haus hatte mitgehen lassen, wäre er geliefert.
    Als er heute in den frühen Morgenstunden aufgewacht war und nicht wieder einschlafen konnte, hatte er sich noch einmal Karl Nüskers „Vermächtnis“ angesehen: den Doppel-8-Schmalfilm aus dem Jahr 1944 über eine Misshandlungsorgie, den er auf eine DVD überspielt hatte. Es war, viele Jahre später, ein zutiefst befriedigendes, ja erhebendes Gefühl gewesen, mit anzusehen, wie sein Kamerad Michail Heptna diesem Widerling die Augen ausgestochen hatte.
    Allerdings konnte er bis heute nicht nachvollziehen, warum Krasinski gewollt hatte, dass der Junge bei dieser Schweinerei zugegen war. Schließlich beinhaltete sein Plan lediglich die Ermordung des Kriegstribunals von 1944, lautlos und schnell und ohne wesentliche Spuren zu hinterlassen. Sie hatten Kollmanns Haus wochenlang observiert, sich Notizen gemacht und festgestellt, dass der Richter und sein Tribunal noch immer ihren sadistischen Neigungen nachgingen.
    Jedes Mal, wenn sich Biljano diese Aufzeichnungen monströser menschlicher Verfehlungen anschaute, wurde ihm übel. Und trotzdem musste er sich eingestehen, dass eine dämonische Faszination ihn geradezu zwang, sich diese Bilder immer wieder anzusehen.
    Der alte Mann zog die schmuddelige Steppdecke bis zu den grauen Bartstoppeln hoch. Seine Augenlider wurden schwer, der Spaziergang an der frischen Luft hatte ihn ermüdet. Er musste sich ein wenig ausruhen und ein kurzes Mittagsschläfchen einlegen, schließlich würde er am Abend Besuch bekommen.
    Den Nachmittag hatte er damit verbracht, endlich seine Wohnung aufzuräumen: den Flur, die Küche, die Garderobe sowie Wohn- und Schlafzimmer. Er hatte einen Schlauch ins Abwaschbecken der Küche gehängt und den Abfalleimer mit einem Desinfektionsmittel ausgespült.
    Lange Zeit starrte er auf das Bild seiner Eltern, das über dem Küchentisch hing, und wandte sich schließlich ab. Nein, das Chaos ließ sich nicht beseitigen. Der Geruch nach abgestandenen Essensresten, den vielen Schmeißfliegen und der Fäulnis in der Küche hielt sich hartnäckig in seiner Nase. Er schluckte eine Viagra und spülte sie mit Aquavit und Wasser hinunter. Dann öffnete er mit dem spitzen Nagel seines kleinen Fingers die Schnupftabakdose aus Rosenquarz und stopfte sich eine Portion Koks in den linken Nasenflügel. Den Rest verrieb er auf dem Zahnfleisch und schloss einen Moment die Augen. Wenn die Hure nicht bald käme, würde er explodieren. Er biss sich auf die Lippen und starrte wieder auf das Porträt seiner Eltern, Tanĵa und Milan Biljano.
    Wenig später hörte er die Klingel, und er öffnete die schwere Eichentür. Die Hure mit den grünen Augen lächelte. Sie kannte seine Gewohnheiten. „Hallo, Kleiner.“
    Kleiner, dachte er. Er war ein zweiundsiebzigjähriger, geiler alter Bock.
    „Da“, sagte die Hure, die er Lissi nennen durfte, und streckte ihm die schwarze Schuhcreme entgegen. „Du kannst mir helfen.“
    „Nein, Lissi.“ Er war ruhig, als hätte er gewusst, dass dies passieren würde.
    Sie stemmte ihre Arme in die Seite. „Nein?“ Sie lächelte.

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