Eiskalter Wahnsinn
konnte sich nicht an die Namen der Personen erinnern, bis auf den Vater, weil der ihn an sich selbst erinnerte. Vielleicht nur, weil er auch einen Jack Russell Terrier hatte. Eddie, so hieß der Hund. Typisch, dass er sich an den Namen des Hundes erinnerte.
Er sah sich um und dachte, dass er eine Lampe einschalten sollte. Der Bildschirm war die einzige Lichtquelle im dunkler werdenden Raum. Wann hatte es angefangen, dunkel zu werden? Ihm kam es vor, als hätte er sich gerade erst zum Lunch hingesetzt.
Er hasste die Dunkelheit. Manchmal machte er sich Sorgen, dass er irgendwann vergaß, Licht einzuschalten. Was, wenn er irgendwann nicht mehr wusste, wie ein Schalter funktionierte? Das war ihm schon mit dieser Kiste in der Küche so ergangen. Diesem Ding, dieser Kiste – diesem Ding zum Essenwärmen. Mist. Er konnte sich nicht mal mehr erinnern, wie man das verdammte Ding nannte.
Er langte hinüber und schaltete zwei Lampen an, sah sich um und fragte sich, was mit der Fernbedienung passiert war? Ständig verlegte er sie. Nun ja, er mochte diese Sendung. Deshalb bestand kein Grund, den Kanal zu wechseln. Er lehnte sich zurück, sah fern und kraulte Scrapple abwesend die Ohren. Der Hund war von den Abenteuern des Tages erledigt. Es war doch immer noch Montag, oder?
Das Läuten des Telefons erschreckte Luc. Das geschah jedes Mal, wenn es klingelte, weil er wenig Anrufe erhielt. Trotzdem stand der Apparat aus irgendeinem Grund immer in seiner Reichweite.
„Hallo?“
„He, Pop! Der Sergeant im Department hat mir gesagt, du warst in den Abendnachrichten.“
„Wie habe ich ausgesehen?“
„Pop, verdammte Scheiße, was ist da los bei dir?“
„Mädchen, du weißt, dass ich eine solche Ausdrucksweise nicht mag.“
„Er hat gesagt, du hast in McCartys altem Steinbruch eine Leiche gefunden? Ist das wahr?“
„Calvin Vargus hat ein paar Felsbrocken weggeschoben, und da ist eine Frau aus einem Fass gefallen.“
„Du machst Witze. Wer zum Teufel ist sie?“
„Weiß nicht. Klingt nach einer Geschichte, die eher bei dir da unten in D. C. passiert, was?“
„Sei bloß vorsichtig, Pop. Mir gefällt das nicht. Und ich möchte nicht, dass du allein da irgendwo in der Einöde herumläufst.“
Luc sah auf den Bildschirm. „Frasier“, sagte er, als er den Titel der Sendung eingeblendet sah.
„Was ist los, Pop?“
Diesmal spürte er es, als würde ein Schalter umgelegt. Er blinzelte einige Male, doch es half nichts. Er sah sich im Raum um und geriet in Panik.
Draußen vor den Fenstern war es dunkel. Er hasste die Dunkelheit. Hier im Raum sah er Bücherregale an den Wänden. In der Ecke lag ein Stapel Zeitungen. Bilder hingen an den Wänden, und an der Tür hing ein Jackett. Nichts von alledem kam ihm bekannt vor. Wo war er bloß?
„Pop, bist du okay?“ schrie ihm jemand ins Ohr. „Was zum Teufel ist da los?“
Sie schrie, doch es klang, als spräche sie durch einen Windkanal. Da war ein Echo. Das Echo verworrener Worte, unterbrochen von einem Bellen. Und diesem Bellen folgte noch eines und noch eines.
Manchmal war es, als wache er erschrocken aus tiefem Schlaf auf. Diesmal weckte ihn Scrapple, der vor ihm saß, ihn fixierte und ihn rhythmisch anbellte, als gebe er einen Morsecode durch.
„Pop, bist du noch da?“
„Jules, ich bin hier, Mädchen.“
„Alles in Ordnung mit dir?“
„Aber sicher.“
Jetzt herrschte Schweigen am anderen Ende. Er wollte ihr keine Sorgen machen. Schlimmer war, dass ihm sein Zustand peinlich wurde. Er wollte nicht, dass sie erfuhr oder sah, wie sich sein Zustand verschlechterte.
„Hör zu, Pop.“ Ihre Stimme klang jetzt ganz sanft und leise, wie sie als kleines Mädchen gesprochen hatte, lieb und schüchtern. „Ich versuche so schnell wie möglich zu dir zu kommen. Vielleicht in ein paar Tagen, okay?“
„Das muss nicht sein. Mir geht es gut.“
„Sobald ich meinen Dienstplan kenne, sage ich dir Bescheid.“
„Ich möchte nicht, dass du meinetwegen deine Termine umwirfst.“
„Verdammt, mein Beeper. Ich werde gebraucht, Pop. Ich muss los. Und du hältst dich aus allen Schwierigkeiten heraus. Wir reden später nochmal.“
„Halte du dich auch aus Schwierigkeiten heraus. Ich liebe dich.“ Doch sie war schon fort, und der Wählton summte ihm im Ohr. Bei ihrem nächsten Anruf würde er sie überzeugen, dass es ihm gut ging. Das war wichtig. So gern er sie auch bei sich hatte, er musste verhindern, dass sie seine Aussetzer miterlebte. Er könnte es nicht
Weitere Kostenlose Bücher