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Eiskaltes Herz

Eiskaltes Herz

Titel: Eiskaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Rylance
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paar Spucketröpfchen ansprühten. »Dagegen hätte ich nichts einzuwenden.«
    Ich ekelte mich vor ihm und drehte mich vorsichtig um. Leander und Vanessa standen immer noch eng umschlungen da. Das große Feuer mit den johlenden Leuten darum sah nun wirklich aus wie etwas aus dem Mittelalter. Das Flackern, das Geschrei – fehlte nur noch Pferdegetrappel und das Klirren von Kettenhemden. Und ich war der Hofnarr. Ich nahm noch einen Schluck, dann schob ich den Typen weg. Er brummte beleidigt irgendwas.
    »Was ist denn los?« Nadine und Julia kamen auf mich zu.
    »Vanessa ist los. Sie ist das Letzte.« Eigentlich, so berichtigte eine kleine Stimme in mir, war Leander ja genauso blöd gewesen. Und eigentlich gehörten auch zwei zu einer Beziehung, es war ja nicht so, als ob sie ihn gekidnappt hatte. Aber ich wollte die kleine Stimme nicht hören. Vanessa war in meinen Augen an allem schuld. Sie hatte alles kaputt gemacht.
    »Jetzt reg dich nicht so auf.« Nadine winkte ab. »Das ist es nicht wert.«
    »Genau«, kam es wie ein Echo von Julia. Sie hattesich ein Haarband in die dunkelblonden Haare gebunden und sah mit ihrem runden Gesicht aus wie Alice im Wunderland.
    Ich schüttelte trotzig den Kopf. Der Hass auf Vanessa schwelte in mir und musste irgendwie betäubt werden. Bier, Wein, irgendwas.
    »Was er nur an der findet …«, sagte Nadine. Manchmal ging mir ihre rationale Art auf die Nerven, aber jetzt hätte ich sie umarmen können.
    »An Vanessa?« Ich lachte freudlos und nahm mir ungefragt Nadines Bierflasche. »Warum würde irgendjemand mit der zusammen sein wollen? Um ihr blödes Gekicher zu hören? Um ihr Beifall zu klatschen und ihr wie ein Hund hinterherzudackeln?« Ich schwenkte die Flasche, Bier spritzte raus und sprühte auf Julia.
    »Mann, pass doch auf!«, schimpfte sie und wischte an ihrer Jacke herum. Etepetete Kuh.
    Ich genehmigte mir noch ein paar Schlucke. Jetzt war schon alles egal. Und außerdem fühlte ich mich langsam besser. Mutiger. Streitlustiger.
    »Ich hasse Vanessa, falls es dich interessiert«, fuhr ich fort und ignorierte die verlegenen Blicke zwischen Julia und Nadine. Ein paar andere Mädchen aus ihrem Volleyballteam kamen zu uns geschlendert. Sehr gut, da hatte ich Publikum. »Ich hoffe, sie rauscht durch das Abi. Ich hoffe, sie fährt Papis Audi zu Schrott.« Meine Stimme wurde lauter. »Und ich hoffe, es sagt ihr mal richtig einer die Meinung, nein, noch besser«, ich machte ein paar unsichere Schrittenach vorn, »sie fliegt bald mal so richtig auf ihre eingebildete Fresse!« Ich fühlte mich auf einmal großartig. On top of the world, girl!
    Ich weiß nicht, wie lange ich weiter meine Reden schwang. Ich erzählte jedem, der es wissen wollte, was für eine blöde Kuh Vanessa war. Einige stimmten mir zu. Manche zeigten mir einen Vogel. Ein Mädchen aus der Realschule am Wenzelsplatz erzählte mir, dass Vanessa ihrem Bruder das Herz gebrochen hatte. Sie wollte unbedingt, dass ich ihn kennenlernte, damit wir uns gegenseitig aufmuntern konnten. Ich nickte höflich, aber ich wollte nicht über ihren Scheißbruder reden, sondern über mich und Leander, aber das Mädchen plapperte wie ein Wasserfall und ich schluckte meinen Frust mit Bacardi runter und mit Bier und mit allem, was ich kriegen konnte, bis ich mal musste und das Mädchen kommentarlos stehen ließ, um in den Wald zu gehen.
    Zweige klatschten mir ins Gesicht, Brennnesseln peitschten gegen meine nackten Füße, egal. Das betäubte wenigstens den Schmerz, der in mir bohrte.
    Redete da jemand in meiner Nähe? Es war hier stockfinster, das Feuer und die anderen nur noch ein Rauschen in der Ferne. Durch die Zweige sah ich etwas Helles, vielleicht eine Lichtung? Dort würde ich mich hinhocken. Ich wühlte mich durch das Unterholz, schützte mein Gesicht mit dem Arm, brach auf der Seite der Lichtung raus und blieb schwankend stehen. Was zum … Mein Herz setzte eine Sekunde lang aus.
    Mitten auf der Lichtung im Mondschein stand Vanessa. Und vor ihr so ein seltsamer Kerl mit Glatze und Camouflage-Hose. Nicht von unserer Schule, eindeutig älter. Er hatte seinen Arm über Vanessa an einem Baum abgestemmt und flüsterte ihr gerade etwas ins Ohr. Dann warf er einen Blick über die Schulter zurück. »Geschlossene Veranstaltung.«
    Das war der Hammer. Vorhin hatte sie mich vor Leander gedemütigt und jetzt machte sie hier im Gebüsch mit so einem Freak rum? Sie schien genauso überrascht wie ich. Und da war etwas in ihren Augen. Fast etwas

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