Eiskaltes Schweigen
saÃen die schweren Jungs: Mörder, Vergewaltiger, Totschläger, Bankräuber.
»Na denn, viel Spaë, meinte der Beamte, der unsere Ausweise einscannte, mit teigigem Grinsen. »Ist schon ein Seelchen, der Ruppke.«
Sein Kollege brach in Gelächter aus.
Horst Ruppke war ein mittelgroÃer, stämmiger Mann mitrundem Kindergesicht, den man auf der StraÃe für alles Mögliche gehalten hätte, nur nicht für einen mehrfachen Mörder. Als er in den kargen Raum geführt wurde, in dem das Gespräch stattfinden sollte, hielt er den Blick gesenkt. Er folgte jeder Anweisung seines unfreundlichen Bewachers ohne Widerspruch, setzte sich artig an den Tisch, legte die sauberen, kräftigen Hände auf die Knie und starrte auf die Tischkante.
»Wir sind hier, um mit Ihnen über Ihren ehemaligen Zellengenossen zu reden«, begann ich freundlich.
Ruppke schien meine Worte nicht verstanden zu haben. Sein Blick blieb leer, die Miene ausdruckslos. Der Mund stand einen winzigen Spalt offen, als bekäme er schlecht Luft durch die Nase. Der Justizwachtmeister, der sich schräg hinter ihm aufgebaut hatte, begann zu grinsen. Es roch nach Ãlfarbe.
»Herr Ruppke, bitte!«
Keine Reaktion.
»Durian läuft Amok, wissen Sie das?«
Nichts.
»Hat er mit Ihnen über seine Pläne geredet?«
Der Beamte sah gelangweilt auf seine klobige Taucherarmbanduhr und zog lautstark die Nase hoch. Seine Miene sagte: Hätte ich Ihnen gleich sagen können, aber mich fragt ja keiner.
Vangelis saà schweigend neben mir und betrachtete den vierfachen Mörder mit undurchdringlicher Miene. Horst Ruppke befand sich bereits seit vierzehn Jahren im Gefängnis und würde es lebend wohl nicht mehr verlassen. Bevor er damals innerhalb von nur zwei Stunden vier Menschen abschlachtete, war er im Lager in einer Viernheimer Baustoffhandlung beschäftigt gewesen. Er galt als nicht sonderlich intelligent, aber fleiÃig und fast schon übertrieben zuverlässig. Bis zu dem Tag, am dem er seine Familie tötete, hatte er sich nichts zuschulden kommen lassen, auÃer hie und da eine kleine Geschwindigkeitsübertretung und einmal einen minderschweren Fall von Fahrerflucht. Selten hatte Ruppke Alkohol angerührt, er hatte weder geraucht noch über seine Verhältnisse gelebt.
Dann kam der Tag, an dem er sich beim Mittagessen in der Kantine den Magen verdarb. Man hatte ihn geradezu nötigen müssen, sich nach Hause fahren zu lassen. Dort hatte er seineFrau, mit der er seit sechs Jahren verheiratet war und zwei Kinder hatte, im Bett mit einem anderen angetroffen. Was anschlieÃend geschah, konnte niemand sagen auÃer ihm selbst, und er verweigerte bis heute die Aussage zu allen Fragen, die mit seiner Tat zu tun hatten.
Nach den Spuren zu schlieÃen, hatte es einen Streit gegeben, der in ein Handgemenge mündete. Sein Nebenbuhler, den Ruppke an diesem Tag zum ersten Mal sah, muss im Zuge der Rauferei gestürzt sein. Er war der Erste, der starb. Ruppke hatte dem am Boden Liegenden einen langen Schraubenzieher ins Herz gerammt, der zufällig in einer Tasche seines Blaumanns steckte.
Keiner der Nachbarn wollte etwas gehört haben. Auch nicht von der Frau, die mit Sicherheit schrie. Notdürftig mit einem Laken bedeckt, musste sie mit ansehen, wie ihr Ehemann ihren Liebhaber ermordete. Sie selbst wurde nicht erstochen, sondern erwürgt, wobei sie ihrem Mann heftig blutende und gewiss schmerzhafte Verletzungen an den Armen und im Gesicht zufügte. Die Minuten, die es dauert, bis sein Opfer die Besinnung verliert, sind für den Täter unvorstellbar lang. Eine Ewigkeit, in der er tausendmal loslassen kann, abbrechen, zu sich kommen, aufgeben. Die Wenigsten halten das bis zum Ende durch. Gäbe es keine Waffen auf dieser Welt, es gäbe tausendmal weniger Morde.
Horst Ruppke lieà nicht los.
Dann folgte das, was â neben seiner hartnäckigen Weigerung, auch nur ein einziges Wort über seine Taten zu verlieren â zum ungewöhnlich harten Urteil führte: Ruppke wusch sich sorgfältig und zog sich um. Er versorgte notdürftig seine Wunden und machte sich auf den Weg zu seinen Eltern, um die Kinder zu holen. Die Tochter war damals vier Jahre alt, der Sohn zweieinhalb. Den Eltern, die nur zwei StraÃen entfernt wohnten, fiel nichts an ihm auf, auÃer, dass er ein wenig blass war an dem Tag. Ohne erkennbare Aufregung
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