Eismond: Ein Kimmo-Joentaa-Roman (German Edition)
Busroute abgefahren, vom Marktplatz nach Paattinen. Du weißt doch, wir hatten diesen Hinweis, dass der Attentäter in einem Linienbus entkommen sei …«
Joentaa nickte.
»Die Frau saß im Bus und hat ihn die ganze Zeit angelächelt. Er hat sie gefragt, ob sie häufig mit diesem Bus fahre, weil er dachte, dass sie vielleicht irgendwas beobachtet haben könnte. Sie hat gesagt, dass sie täglich diese Route fahre, und ihn zum Kaffee in ihre Wohnung eingeladen. Und auf dem Wohnzimmertisch fand Grönholm dann die Pistole, die lag einfach so da …«
Heinonen schwieg, als sei alles gesagt.
»Aha«, sagte Joentaa.
»Grönholm hat sie natürlich sofort mitgenommen.«
»Verstehe«, sagte Joentaa, obwohl er gar nichts verstand. »Und es ist wirklich sicher, dass diese Frau …«
»Kari Niemi geht davon aus, dass es die Waffe ist, die wir suchen. Und als Grönholm die Frau auf Sami Järvi ansprach, sagte sie irgendwas wie … das sei ein schlechter Mensch, gegen den man etwas unternehmen müsse.«
Joentaa nickte.
»Mehr wissen wir noch nicht«, sagte Heinonen. »Das Ganze ist höchstens eine Stunde her. Grönholm bemüht sich gerade, Verwandte und Freunde der Frau aufzutreiben.«
Nurmela kam schwungvoll auf sie zu. »Wo ist Ketola?«, fragte er. »Die Presse wartet. In fünf Minuten soll die Konferenz beginnen, und ich will ja nicht das ganze Lob für mich alleine.« Er lachte, herzhaft, hochzufrieden mit sich und der Welt.
Heinonen wollte etwas sagen, zuckte dann aber nur mit den Schultern.
»Ich werde ihn suchen«, sagte Joentaa.
»Tun Sie das. Sagen Sie ihm, er soll sich gleich auf den Weg machen. Die warten schon ungeduldig. Ich muss los. Wenn Ketola in fünf Minuten nicht da ist, fange ich an. Großes Kompliment übrigens an Grönholm.« Er hob den Daumen, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, nickte ihnen zu und eilte seinem Triumph entgegen.
Joentaa dachte, dass Nurmela mindestens so ungeduldig war wie die Pressevertreter.
Er bat Heinonen, die Vernehmung der Frau fortzusetzen, und ging, um nach Ketola zu sehen. Er fand ihn im Büro. Ketola saß aufrecht am Schreibtisch und sah an ihm vorbei an die Wand.
»Nurmela bittet Sie, mit ihm vor die Presse zu treten. Sie sollen sich beeilen.«
Ketola reagierte nicht.
Joentaa stand ihm gegenüber. Er sah auf ihn hinab und spürte, dass er zu schwitzen begann. Er dachte, dass er sich in Ketolas Gegenwart niemals würde wohlfühlen können.
»Es tut mir leid«, sagte Ketola. »Ich habe die Kontrolle verloren.« Er sah noch immer an Joentaa vorbei Richtung Wand.
»Sie sollten gehen«, sagte Joentaa.
Ketola schüttelte den Kopf. »Ich werde hierbleiben.« Er hob den Blick. Joentaa war überrascht, dass er ihn anlächelte, müde und traurig. Seine Augen waren gerötet. Joentaa fragte sich, ob er geweint hatte.
»Setzen Sie sich doch, Kimmo«, sagte Ketola. Joentaa zögerte, dann setzte er sich an seinen Schreibtisch.
Er wartete darauf, dass Ketola etwas sagen würde, aber er sagte nichts.
Sie schwiegen lange. Joentaa hatte das Gefühl, eine Ewigkeit lang. In seinem Kopf wirbelten Gedanken durcheinander. Er entspannte sich langsam. Irgendwann genoss er die Stille. Er fragte sich, welche Geschichte Ketola verbarg. Wer war eigentlich der Mann, mit dem er täglich zusammenarbeitete? Er dachte an den Jungen, der Klavier gespielt hatte im Café des Handwerksmuseums und wirklich schockiert schien über den Tod eines schwedischen Studenten, den er nur einmal gesehen hatte. Er dachte, dass der junge Mann keine Ahnung hatte, wie tief ihn sein Klavierspiel berührt hatte. Er fragte sich, was im Kopf des Jungen vorging, wenn er spielte. Es gab viele Geschichten, die er nicht kannte und nie kennen würde.
Er dachte an Sanna.
Er sah Ketola, der reglos ins Leere starrte.
Als Nurmela mit zwei Sektflaschen kam und gut gelaunt vorschlug, auf den Ermittlungserfolg anzustoßen, zerstoben die wirren Gedanken.
Joentaa sah, dass Ketola lächelte und sich mühsam erhob. Ein kurzer Blick streifte ihn, den er nicht interpretieren konnte. Aber er hatte den Eindruck, Ketola in den stillen Minuten näher gewesen zu sein als in allen Gesprächen, die sie geführt hatten.
20
Aus der Fraktion des angeschossenen Politikers kam gegen Mittag ein Glückwunsch per Fax. Nurmela war begeistert. Die Toten in Naantali und der Jugendherberge spielten keine Rolle mehr, als habe es sie nie gegeben. Nurmela schien in der allgemeinen Euphorie davon auszugehen, dass sich irgendwie auch diese
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