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Eismord

Eismord

Titel: Eismord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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dir Gedanken über die Leute, die du beraubst? Wie sie sich fühlen?«
    »Ein Dollar vom Feind ist so viel wert wie zwanzig eigene. Das stammt von Sun Tzu.«
    »Wieso sind sie unsere Feinde?«
    »Weil sie nicht wir sind.« Lemur nahm den Vorschlaghammer und hielt ihn sich schräg vor die Brust. »Außerdem geht es auch ums Überleben. Es geht ums K-OS. Die Zivilisation geht zugrunde, und wir werden die Überlebenden sein. Ich brauche nicht jede Einzelheit zu wissen, genauso wenig wie du. Halte den Pflock.«
    Nikki kniete sich in den Schnee und hielt den Pflock mit beiden Händen. Das Eisen strahlte die Kälte durch ihre Fausthandschuhe ab. Hätte ihr drei Monate zuvor jemand gesagt, sie würde durch den Wald wandern und im Schnee Fallen stellen, hätte sie nur gelacht. Doch sie fand allmählich Gefallen daran, viel im Freien zu sein, sogar an den Winter konnte sie sich gewöhnen. Die Sonne zwischen den Bäumen, der glitzernde Reif auf den Zweigen, das Licht, das sich in Strahlenbündeln in alle Richtungen brach. Und die Luft, so trocken und so sauber, dass man sich durchsichtig fühlte.
    Lemur schwang den Vorschlaghammer und achtete darauf, die Spitze des Pflocks genau von oben zu treffen. Jedes Mal hallte ein lautes, klirrendes Geräusch durch den Wald, und eine Stoßwelle durchlief Nikkis Arme.
    »Geh zum Haus zurück.« Jacks Stimme, hinter ihnen. Der Meisterlehrling von Papas Kunst des Anpirschens und Überlebens tauchte plötzlich wie aus dem Nichts neben dem Baum mit dem abgebrochenen Ast auf. »Hast du gehört«, sagte er zu Lemur. »Ich zeig ihr, wie man sie aufbaut.«
    »Das mach ich, bin gleich so weit. Wir hauen gerade den Pflock ein, dann zeig ich’s ihr. Papa hat mich darum gebeten«, sagte Lemur. »Ausdrücklich mich.«
    »Gestern hast du den ganzen Nachmittag gebraucht, um eine simple Schlinge zu legen. Es wird allmählich Zeit, dass das Ding fertig ist, und es ist fast Mittag. Ich zeig’s ihr, und jetzt mach dich vom Acker.«
    »Seit wann gibst du die Befehle?«
    »Geht schon klar«, sagte Nikki zu Lemur. »Mach kein großes Ding daraus.«
    Lemur ließ Jack nicht aus den Augen. »Du bist nicht der Boss in dieser Familie. Niemand ist der Boss in dieser Familie. Wir sind alle gleich.«
    Lemur hielt sich den Vorschlaghammer quer über den Körper, als wollte er Schläge abwehren. Jack machte einen Schritt auf ihn zu.
    Nikki fühlte sich an einen Naturfilm über Menschenaffen erinnert, in dem sich die Männchen aufplusterten und gegenseitig anspuckten.
    Jack war bedeutend größer als Lemur – und auch wesentlich muskulöser. Er packte den Vorschlaghammer mit einer Hand und verpasste Lemur eine Ohrfeige ins Gesicht. Von dem klatschenden Geräusch zuckte Nikki zusammen. »Geh ins Haus zurück«, sagte Jack.
    Lemur rührte sich nicht. Seine rechte Wange war leuchtend rot, und aus dem Auge liefen ihm Tränen. »Ich werde gehen«, sagte er. »Aber nicht, weil ich Angst vor dir habe, sondern wegen dem, was Papa sagt – über Loyalität und Einigkeit. Ich werde mich nicht mit dir prügeln.« Er warf den Vorschlaghammer weg und verschwand. Dann drehte er sich zu Nikki um. »Schätze, wir sehen uns gleich im Haus.«
    »Okay«, sagte Nikki. »Bis gleich.«
    Lemur stapfte den gleichen Weg, den sie gekommen waren, wieder zurück und wirbelte bei jedem Schritt Schnee auf.
    Jack rieb sich die Hände und setzte ein Lächeln auf, das so unecht wirkte wie auf einem Werbeplakat. »Dann sind wir also unter uns, Kleine. Und wir werden eine tolle Falle aufbauen.«
     
    Das Mittagessen war vorbei, Jack deckte den Tisch ab und steckte das Geschirr in die Spülmaschine – nicht weil ihn irgendjemand darum gebeten hätte, sondern weil er einen Ordnungsfimmel hatte. Er mochte es, wenn alles an Ort und Stelle war. Wohl auch, weil er sich am Tisch im Moment unbehaglich fühlte und Papas wachsamem Blick entgehen wollte.
    Papa hatte ihnen erzählt, wie es oben im Norden sein würde. Wie sie eine ganze Flotte an Jeeps und Schneemobilen ansammeln und gutes Geld verdienen würden, indem sie die Dinger an Leute vermieteten, die nicht so umsichtig gewesen waren, entsprechend vorzusorgen. Er redete davon, wie sie einander lieben und respektieren und auf dieser Grundlage eine völlig andere Gesellschaft gründen würden. Und wie sie, wenn die Schwarzen und die Ureinwohner und die Muslime kämen, um sich von ihnen helfen zu lassen, allzeit bereit wären, den Rest der Menschheit in die neue Realität zu führen. Wenn er sich für

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