Eismord
angezogenen Knien näher am Bildschirm auf den Teppich.
Der Mann lief zu dem Fahrzeug, das am tiefsten im Schatten stand; sein Gesicht war zu keinem Zeitpunkt zu sehen. Plötzlich blitzte ein schmaler Multipick in seiner Hand auf, und mit wenigen gezielten Bewegungen hatte er das Türschloss geöffnet. Das Video war ohne Tonaufnahme, doch die Alarmanlage des Wagens hatte zweifellos laut widergehallt. Der Mann stieg ein, entriegelte die Kühlerhaube und stieg wieder aus. Er öffnete die Haube und schlug sie Sekunden später wieder zu.
»So viel zur Alarmanlage«, sagte Cardinal.
»Der Bursche ist fix. Muss ihm jemand beigebracht haben.«
»Anhand dieses Videos können wir ihn nicht identifizieren«, sagte Cardinal. »Es sei denn, die Computerfreaks bei den Kollegen in Toronto können das irgendwie schärfer kriegen.«
»Na ja, das
muss
derselbe Junge sein, auch wenn wir es nicht beweisen können. Oha, wen haben wir denn da?«
Eine zweite Gestalt war auf der Bildfläche erschienen.
Cardinal zeigte darauf und zog mit dem Finger den Kopf und die Schultern des Mannes nach. »Der sieht deutlich älter aus, viel, viel älter. Schon seinem Gang nach zu urteilen.«
Die beiden stiegen ein und zogen die Türen zu. Die Rücklichter gingen an, der Wagen fuhr aus der Parkbucht, wendete und verschwand aus dem Bild.
»Spul noch mal zurück«, sagte Cardinal. »Ich glaube, wir haben ein bisschen Licht auf dem Gesicht des älteren Mannes, an der Stelle, wo er sich umdreht und die Tür aufmacht.«
Delorme griff nach der Fernbedienung und hielt das Bild eine Sekunde an, bevor sie zurückspulte. Dann klickte sie ein paar Einzelaufnahmen weiter. Der ältere Mann trug eine Baseballkappe, die sein Gesicht überschattete. In ruckartigen Bewegungen lief er zum Auto. Er öffnete die Beifahrertür, und als er sich ein wenig herumdrehte, hielt Delorme die Sequenz an.
Sie ging auf Hände und Knie, um sich aus nächster Nähe den Bildschirm genau anzusehen. Cardinal saß auf der Sofakante. »Eindeutig älter.«
»Das sollten sie schärfer kriegen. Vielleicht können sie es sogar durch die Gesichtserkennung jagen.« Delorme spulte noch einige Male vor und zurück, doch es gab keine besseren Einzelbilder. Sie schaltete den Apparat aus und kam zum Sofa zurück. »Wir haben es also mit zwei Tätern zu tun, einem Jugendlichen und einem Mann Mitte vierzig oder Anfang fünfzig?«
»Das ist gut«, sagte Cardinal. »Zwei Männer, die zusammen unterwegs sind – einer davon ein Teenager –, sind auffälliger als ein Mann allein. Müssen uns morgen als Allererstes mit Pearson in Verbindung setzen. Falls sie den Kerl mit anderen Überwachungsaufnahmen abgleichen können, kriegen wir vielleicht Namen von der Passkontrolle, und vielleicht lassen die beiden sich sogar mit einem bestimmten Flug in Verbindung bringen.«
»Weißt du, wie viele Passagiere Pearson pro Jahr abfertigt?«
»Pro Jahr. Aber wir können es ziemlich gut eingrenzen. Die Bastovs sind Amerikaner – wir dürfen annehmen, dass ihre Mörder ihnen hierher gefolgt sind. Nehmen wir ferner an, dass die beiden ungefähr eine Stunde, bevor sie den Wagen klauen, gelandet sind. Die können für diese Stunde die Überwachungsvideos in der Ankunftshalle für Flüge aus den USA überprüfen. Nicht auszuschließen, dass wir annähernd oder sogar genau das richtige Gate bekommen. Eines verstehe ich bei dem Ganzen allerdings nicht.«
»Was?«
»Die Opfer sind Amerikaner. Wie es aussieht, ist der Mörder oder sind die Mörder auch Amerikaner. Woher wussten sie, dass das Haus der Schumachers zum Verkauf steht? Sie hatten zwar das Schild dort stehen, aber es war nirgends annonciert.«
»Falls sie wussten, dass die Bastovs nach einem Haus in der Gegend suchten, haben sie vielleicht bei den lokalen Maklern nachgefragt.«
»Nicht sehr wahrscheinlich.«
»Nein, du hast recht.«
Sie ließen es dabei bewenden, aßen das Chili auf und redeten noch eine Weile darüber, wie sie beim Flughafen Toronto jemanden dazu bringen könnten, ihnen das zu verschaffen, was sie brauchten. Schließlich fragte Delorme: »Und? Wie war dein Rendezvous gestern Abend?«
»Rendezvous?«, fragte Cardinal. »Du meinst, mit dieser Reporterin? Das war kein Rendezvous.«
»Ach ja? Dafür hast du aber ziemlich ausweichend reagiert. Wieso, wenn es kein Rendezvous war? Seid ihr in ein Restaurant gegangen?«
»Ja, ins DeGroot’s.«
»DeGroot’s«, stellte Delorme klar, »ist definitiv ein Rendezvous.«
»Nein, war es
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