Eismord
Er war zwei Wochen zuvor am Pearson International Airport, Toronto, gestohlen worden. Die Nummernschilder passten nicht.
Delorme begab sich mit diesen Informationen in Chouinards Büro und holte sich die Genehmigung, den Wagen von der KTU zum Bedampfen in die Polizeiwerkstatt bringen zu lassen. Eine Stunde später zog sie sich ihren Parka an und ging selbst in die Werkstatt hinunter. Die Tür stand weit offen – eine notwendige Maßnahme, wenn man ein ganzes Fahrzeug bedampfte.
Trotz Lüftung stank es höllisch nach Sekundenkleber. Fingerabdrücke rund um die Türgriffe des Mazda sowie über dem Armaturenbrett und an den Türverkleidungen hatten die Form von gespenstischen weißen Schmierflecken angenommen. Sie hatten auch Abdrücke am Radio und auf dem Rückspiegel gefunden.
»Haben ein ganzes Schatzkästlein an Spuren, die wahrscheinlich nichts mit dem Verbrechen zu tun haben«, sagte Arsenault. »Einen ganzen Haufen alte Knöllchen aus Barrie, ein paar CDs mit medizinischen Vorträgen, eine Kater-macht-Theater-Spielzeugfigur. Problem Nummer eins ist, dass wir mit dem Ausschlussverfahren erst beginnen können, wenn wir Fingerabdrücke aus Barrie bekommen. Der Doktor und seine Frau haben sich einverstanden erklärt, sich dort zu melden und Abdrücke nehmen zu lassen, aber noch haben wir sie nicht.«
»Und was ist mit unserem toten Dieb?«
»Keine Übereinstimmungen bis jetzt.«
»Kommen Sie«, sagte Delorme und wies mit einer ausholenden Handbewegung auf all die weißen Flecken. »In diesem Füllhorn? Ein billiger kleiner Straßenräuber von vielleicht sechzehn Jahren hinterlässt keinen einzigen Fingerabdruck?«
Arsenault schüttelte den Kopf. »Wir haben alles überprüft.«
»Wie steht’s damit?« Delorme zeigte auf eine Welch-Traubenlimo-Dose, die auf der Beifahrerseite am Boden lag.
»Dazu sind wir noch nicht gekommen.«
Collingwood hob die Dose mit Handschuhen auf und verfrachtete sie in einen kleinen Plexiglasbehälter. Er schloss den Deckel und schaltete den Dampf ein. Er ging in die Hocke auf Augenhöhe mit dem Behälter. Nach einer Minute schaltete er die Maschine ab, öffnete den Deckel, nahm die Dose heraus und hielt sie ans Licht. Er reichte sie Arsenault und sagte: »Daumen.«
Arsenault hielt die Dose ans Licht und sah sie sich mit halb zusammengekniffenen Augen an. »Dreifach zeltartige Bogenmuster.«
»Und das heißt was?«, fragte Delorme.
»Dass er zu den Abdrücken passt, die wir Ihrem Automatenkünstler abgenommen haben.«
»Ist wenigstens ein Anfang, nehme ich an«, sagte Delorme. »Zu dumm, dass er nicht vorbestraft ist.«
»Da haben wir was Besseres«, sagte Collingwood.
Ein Außenseiter hätte es nicht bemerkt, doch Delorme kannte Collingwood seit annähernd zehn Jahren. Wenn er so viele Wörter nacheinander von sich gab, grenzte seine Aufregung vermutlich an Hysterie.
»Was haben Sie, Bob?«
Er winkte mit dem Zeigefinger, und sie folgte ihm zu der Arbeitsplatte an der Seite der Werkstatt. Er zeigte auf vier weiße Gipsbögen, die dort, jeweils getrennt in einem Plastikbeutel, aufgereiht lagen. Dazwischen befanden sich vier weitere weiße Gipsbögen, nicht in Beuteln abgepackt.
»Sie haben Reifenabgüsse gemacht?«
Collingwood nickte.
»Und die in Plastik sind vom Trout Lake?«
»Sie haben’s erfasst.«
»Jetzt sagen Sie nur nicht, wir hätten unseren Mörder.«
»Die Fingerabdrücke stimmen nicht überein, die Reifenprofile schon. Die Abdrücke an der Waffe zeigen, dass er Rechtshänder ist. Der Mörder vom Trout Lake ist Linkshänder. Aber dieser Wagen war eindeutig dort.«
Cardinals erste Pflicht an diesem Tag bestand darin, Randall Wishart festzunehmen. »Wünschte, ich könnte mitkommen«, sagte McLeod. »So einen Spaß lass ich mir nicht gern entgehen.«
Cardinal fuhr zu Carnwright-Immobilien und wartete, bis Wisharts Kunde gegangen war. Im Unterschied zu McLeods Sinn für Humor fand Cardinal die Aufgabe deprimierend. Schaden von einem Mädchen wie Sam Doucette abzuwenden, war zweifellos eine gute Sache und passte eindeutig zum »Freund und Helfer«-Ideal, an das Chouinard immer wieder erinnerte. Aber Spaß?
Als er die Handschellen zuschnappen ließ, wurde Wisharts Gesicht aschfahl, und Cardinal fürchtete einen Moment, er könnte in Ohnmacht fallen. Unter dem entsetzten Blick von Lawrence Carnwright und der Rezeptionistin führte er ihn durch das äußere Büro und wusste, dass das, was er gerade tat, zwar notwendig und unvermeidbar war, für seine
Weitere Kostenlose Bücher