Eisnacht
auf die Sprünge. Er hatte darauf gesetzt, dass Elmer Homosexuelle nicht ausstehen konnte. Ein Mann wie er wollte sicher nicht, dass sein Stammgast, mit dem er sich so gut verstand, etwas anderes als ein richtiger Kerl war, ein Hetero bis ins Mark. Falls Tierney also je im Gespräch einen Frauennamen fallen lassen hatte, würde sich der Alte jetzt das Gehirn zermartern, um sich daran zu erinnern.
Während er sich konzentrierte, tauchte sein knorriger kleiner Finger in das Haarbüschel, das aus seinem Ohr wucherte, und begann das Schmalz aus dem Gang zu pulen. »Jetzt, wo ich richtig drüber nachdenke, hat er neulich wirklich was über das letzte Mädchen gesagt, das wo verschwunden ist.«
»Stört es Sie, wenn ich mir noch eine Tasse einschenke?« Ohne seine Antwort abzuwarten, stand Begley auf und trat an die Kaffeemaschine auf dem Tisch am anderen Ende des Raumes.
»Da war er hier in der Rezeption, weil er den Cleary Call holen wollte, und hat gerade die Schlagzeile gelesen. Ich sage zu ihm: ›Wenn Sie mich fragen, geht in dieser Stadt ein Irrer um.« Und er sagt, ihm würden die Leute von dem Mädchen leidtun. Was sie durchmachen müssen und so.«
Begley kehrte in seinen Schaukelstuhl zurück und pustete auf seinen Kaffee, um ihn abzukühlen. »Der Kaffee ist wirklich exzellent, Mr Elmer. Special Agent Wise, notieren Sie doch bitte die Marke.«
»Natürlich.«
»Ich möchte etwas davon mit nach Charlotte nehmen, für Mrs Begley. Mehr hat Mr Tierney nicht über das Mädchen gesagt?«, fragte er Elmer.
»Äh, mal sehen.« Der alte Mann versuchte, den Faden wieder aufzunehmen. »Äh, nein. Er hat noch gemeint, dass er sie noch gesehen hat, einen Tag bevor sie verschwunden ist.«
»Hat er gesagt, wo?«, fragte Hoot.
»In dem Laden, wo er sein Zeug kauft. Er hat erzählt, er war da drin, um ein Paar Socken zu kaufen, und sie war an der Kasse.«
»Wann war das?«
»Dass er im Laden war? Hat er nich' gesagt. Er hat bloß die Zeitung zusammengefaltet, dann hat er eine Wanderkarte mitgenommen und gesagt, dass er auf den Gipfel wandern will. Ich hab ihm noch gesagt, er soll aufpassen, dass ihn die Bären nicht schnappen. Er hat gelacht und gesagt, er würde aufpassen, und außerdem, sollten die zu dieser Jahreszeit nicht im Winterschlaf sein? Dann hat er an dem Automaten da drüben noch welche von diesen Müsliriegeln gezogen und ist losgegangen.«
»Hat er je über die anderen vermissten Frauen gesprochen?«
»Nee. Kann mich jedenfalls nicht erinnern…« Elmer verstummte schlagartig. Er sah Begley pfiffig an und lenkte dann den trüben Blick auf Hoot, der unbeteiligt zu wirken versuchte. Als Elmer wieder Begley ansah, schluckte er schwer. Hoot konnte nur hoffen, dass er seinen Kautabak zuvor ausgespuckt hatte.
»Sie glauben, dass Mr Tierney der Kerl is´ der die Mädchen wegschnappt, stimmt's?«
»Keineswegs. Wir wollen nur mit ihm sprechen, damit wir ihn von der Liste der Tatverdächtigen streichen können.«
Begley hatte wesentlich mehr Gefühl gezeigt, als er über das Buch Jeremia gesprochen hatte, doch Gus Elmer ließ sich von seiner lässigen Antwort nicht irreführen. Er schüttelte den Kopf und wischte dabei mit dem verfilzten Bart über seine Brust. »Er ist der letzte Mensch, dem ich so eine fiese Gemeinheit zugetraut hätte.«
Hoot beugte sich vor und fragte: »Haben Sie je mitbekommen, dass er sich in misogyner Weise geäußert hätte?«
»Miso… mi… was?«
»Frauenfeindlich oder frauenverachtend.«
»Ach. Frauenfeindlich, meinen Sie?«
»Entweder im Allgemeinen oder über eine ganz bestimmte Frau?«, fragte Hoot nach.
»Nee, ich hab Ihnen schon gesagt, er hat nur einmal was gesagt über…« Er verstummte, griff nach einer leeren Coladose und spuckte hinein. »Moment mal. Nur mal kurz. Ich meine, mir fällt da grade was ein.« Er schloss die Augen. »Ja, ja, jetzt kommt es wieder. Das war im letzten Herbst. Ich weiß das noch, weil wir beide dahinten draußen gesessen haben und das Laub angeschaut haben. Er hat gefragt, ob ich was mit ihm trinken will, und ich hab na sicher gesagt. Nur damit die Abendluft nicht so kalt wird, Sie versteh'n. Und dabei sind wir irgendwie auf Dutch Burton gekommen.«
»Den Polizeichef?« Hoot konnte seine Überraschung nicht verhehlen.
»Ja, genau. Dutch war da noch nicht lang Chief, erst einen Monat oder so, und ich und Mr Tierney hab'n darüber geredet, dass er alle Hände voll zu tun hat mit den vermissten Frauen und so.«
»Was genau hat er
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